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Interview mit Ramon Bultron, Aktivist der Hong Kong People's Alliance
on WTO
A.P.: Aus welchen Gruppen und politischen Bewegungen besteht die HKPA
[Hong Kong People's Alliance] = Volksbündnis Hongkong]? Haben diese
Gruppen gemeinsame politische Ziele, oder haben sie sich nur zusammengetan,
um gegen das Ministertreffen der WTO zu protestieren?
R.B.: Die HKPA besteht aus 34 Mitgliedsorganisationen in Hongkong, hauptsächlich
örtliche Basisgruppen, sowie regionale Organisationen und Institutionen
und Basisgruppen für Gastarbeiter in Hongkong.
Die HKPA hat eine gemeinsame Stellung zu WTO-Fragen. Seine Stellung lautet
"Nein zur WTO bzw. Kong yee sai mau!" Die Gruppe stellt sich
auch gegen Klüngeleien zwischen Regierung und Konzerne, und fordert
den Schutz der Rechte, Lebensunterhalt und Würde der Menschen.
HKPA achtet jedoch auch die Unabhängigkeit und Initiativen der einzelnen
Mitgliedsorganisation. Es gibt Gruppen, die zur HKPA gehören, welche
die Abschaffung der WTO fordern, während andere sich nur um die konzernorientierte
Politik der WTO sorgen.
A.P.: Welche Rolle spielen WanderarbeiterInnen und die APMM bei den
Protesten gegen die WTO?
R.B.: WanderarbeiterInnen, einschließlich der APMM und andere Basisgruppen
der Wanderarbeiter, spielen eine große Rolle in der Kampagne gegen
die WTO in Hongkong. Vor allem haben WanderarbeiterInnen zweifach unter
der WTO zu leiden. Sie sind schon Opfer ehe sie gezwungen werden, als
WanderarbeiterInnen ins Ausland zu gehen. Sie sind nämlich die ArbeiterInnen,
Bauern und Bäuerinnen, und sonstige normale Menschen, die den Verlust
ihrer Arbeitsstelle, des Ackerlands, oder sonstigen Lebensunterhalt aufgrund
der Politik der "Liberalisierung" der WTO verlieren.
Und wenn sie zu WanderarbeiterInnen werden, erfahren die Benutzung als
billige Arbeitskräfte und verschiedene Formen des Mißbrauchs
und der Ausbeutung.
Unter dem GATS gibt es eine Tendenz zur Vereinheitlichung der Löhne
der WanderarbeiterInnen, und das würde viel niedrigere Löhne
und weniger Schutz ihrer Rechte und Wohlfahrt bedeuten.
Die WTO selbst wird nur die erzwungene Wanderbewegungen verstärken,
und die Institutionalisierung der erzwungenen Wanderarbeit im Weltmaßstab
erleichtern. Daher wird sie niemals die Grundursachen der erzwungenen
Wanderarbeit angehen, und niemals eine Lösung für den zunehmenden
Mißbrauch und Ausbeutung der WanderarbeiterInnen sein.
A.P.: Warum beteiligt sich die APMM an dem Kampf gegen multilaterale
Handelsvorschriften? Wie beeinflussen die Regeln der WTO das Alltagsleben
ihrer Mitglieder?
R.B.: WanderarbeiterInnen, einschließlich der APMM, müssen
sich an dem Kampf gegen die multilateralen Handelsvorschriften beteiligen,
weil die WTO die Handelspolitik erschafft, welche den Menschen ihrer Lebensunterhalt
und Einkommensquellen beraubt. Und wenn wir uns den Grundursachen der
erzwungenen Wanderarbeit zuwenden, müssen wir uns mit den Strukturen
und Politik der Regierungen der Entsendeländern, sowie deren Gesellschaften
insgesamt, beschäftigen.
Ein Beispiel hierfür ist die Erfahrung der Philippinen. Seit die
Philippinen vor zehn Jahren der WTO beigetreten sind, haben gemäß
der Statistik jeden Tag sechs Firmen aus wirtschaftlichen Gründen
geschlossen, und 164 ArbeiterInnen freigesetzt. Davon haben 58 ihre Stellen
wegen Schließung der Firma verloren, während 106 wegen Personalabbaus
gehen mußten. Zu den von den berichtenden Firmen genannten Gründen
gehören ein fehlender Markt bzw. nachlassende Nachfrage, Konkurrenz
durch Importe, und Verschlankung/Umstrukturierung.
Neben massivem Personalabbau hat die Handelsliberalisierung auch zum Anschwellen
der Zeitarbeit geführt. Einheimische Firmen, die schon wegen scharfer
Konkurrenz aus dem Ausland bankrott sind, halten sich Zeitarbeiter um
die Kosten zu senken. Abgesehen von der Bedrohung der Sicherheit ihrer
Arbeitsplätze, beraubt die Zeitarbeit ihnen des Rechtes, sich zum
Schutz ihrer Rechte und zu Tarifverhandlungen zu organisieren.
Andererseits haben in Hongkong WanderarbeiterInnen im Jahre 2000 und 2003
Lohnkürzungen von HK$ 190 bzw. HK$ 400 erfahren. Diese Lohnkürzungen
sind für WanderarbeiterInnen schwerwiegend. Sie haben 2000 den Gegenwert
von einem Sack Reis pro Monat verloren, und eine gewaltige Kürzung
des für die Schulkosten ihrer Kinder vorgesehenen Geldes infolge
der Lohnkürzung 2003 erlebt.
Und da die WTO-Regeln eine gemeinsames Niveau nicht nur für Handel,
sondern auch für Dienstleistungen herstellen sollen, glauben wir,
daß die WTO nur ein niedrigeres Lohnniveau und Arbeits- und Lebensbedingungen
für Wander- und sonstige ArbeiterInnen schaffen wird.
A.P.: Was ist das breitere politische Programm der APMM?
R.B.: Die Aufgabe der APMM ist es, eine Bewegung der WanderarbeiterInnen
zu schaffen, die eng mit den Volksbewegungen in ihrem Heimatland zusammenarbeiten
wird, um die Grundursachen der erzwungenen Wanderarbeit anzugehen. Das
bedeutet, gesellschaftliche Änderungen zu unterstützen, damit
WanderarbeiterInnen nicht gezwungen sind, ihre Familien und ihr Land zu
verlassen, um zu überleben.
A.P.: Welche Art von Repressionen erwarten Sie während des Ministertreffens
und seinen Nachwirkungen?
R.B.: In Hongkong halten wir es nicht für unmöglich, daß
die Polizei Bedingungen schaffen wird, welche Menschen darin hindern werden,
ihre Kritik und Stellungnahmen gegen die WTO-Themen und Handelsvorschriften
Ausdruck zu geben. Andererseits wird die HKPA ihr Bestes tun, um die Protestaktionen
friedlicher und organisierten zu machen.
Zwar glauben wir in der APMM, daß das anstehende 6. Ministertreffen
der WTO ein Fehlschlag sein wird; aber trotzdem werden wir weiterhin in
Solidarität mit der Volksbewegung arbeiten, in ihrem Kampf gegen
die neoliberale Politik der Globalisierung und gegen die WTO.
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