Call for Statements
Diskussion
Seite per Email versenden
Bitte füllen Sie die folgenden Felder vollständig aus:
Beitrag von Werner Rätz zum "Call for statements"
Im Ergebnis der Bundestagswahl hatte sich noch gezeigt, wie tief die Risse und Brüche im herrschenden Block sind. Jahrelang hatte es geheißen, es gebe keine Alternative zur neoliberalen Agenda. Nun wurde sichtbar, dass alle Rezepte aus dieser Ecke nichts taugen. Keines fand bei den WählerInnen eine Mehrheit. Die Linkspartei ist messbarer und sichtbarer Ausdruck des Wunsches vieler nach Alternativen. Das ist ein wichtiger Schritt, aber nicht gleichbedeutend mit dem Ende der ideologischen Hegemonie des neoliberalen Denkens überhaupt
- Wir haben die grundsätzliche Auseinandersetzung angenommen. Das „Es gibt keine Alternative“, vor fünf Jahren noch allgegenwärtig, ist zwar nicht verstummt, aber leiser geworden. In Veranstaltungen, auf der Straße beim Infostand, im Zufallsgespräch beim Arzt oder im Bus, immer häufiger kommt Zustimmung, wenn man darauf hinweist, dass Politik auch gestalten könnte. Die Bewegung hat es verstanden die Auseinandersetzung auch in den Kern liberaler Vorstellungen von Ökonomie zu treiben, indem sie deren Diskurs des Mangels in Frage stellt. Es ist offensichtlich „genug für alle da“ und kaum noch jemand glaubt, dass es von alleine unten ankommt, wenn man es oben nur hoch genug anhäuft. Viele halten inzwischen tatsächlich eine andere Welt für möglich.
- Wir haben dagegen ganz konkrete Alternativen aufgezeigt. Vorschläge wie Bürgerversicherung oder solidarische Einfachsteuer sind gut durchdacht und auch für pragmatisch orientierte Menschen nachvollziehbar. Manchmal sind sie sogar handwerklich besser durchgearbeitet als die der Gegenseite, wie sich etwa am Beispiel von Herrn Kirchhoffs und des Spiegel Rechnung zeigte. Nun befindet sich mit der Linkspartei eine Kraft im Parlament, die einige dieser konkreten Alternativen ebenfalls vertritt; die Grünen erklären, dass die unsoziale, neoliberale Schlagseite der bisherigen Bundesregierung ein Fehler gewesen sei; die SPD wird in der großen Koalition starken inneren Spannungen ausgesetzt sein, die vor allem für deren linken Flügel schwer aushaltbar werden könnten. Man muss nicht alles glauben, was diese Parteien und PolitikerInnen sagen – ich schlage vor im Gegenteil vor nur sehr wenig davon zu glauben. Aber wir könnten demnächst durchaus StichwortgeberInnen für parlamentarische Initiativen sein.
- Wir haben unser Sektierertum weitgehend überwunden. Noch in der Vorbereitung der Demonstration am 1.11.2003 gab es heftige Rangelei und internen Streit. Perspektivenkongress und Sozialforum in Deutschland, aber auch eine Reihe von bewusst gesuchten und lange geführten Gesprächen, Diskussionsrunden, Veranstaltungen haben dazu geführt, dass viele Akteure der sozialen Bewegungen sich inzwischen kennen und zumindest insoweit akzeptieren, dass grundsätzlich die Existenzberechtigung der anderen nicht mehr bestritten wird. Das ist selbstverständlich ein fragiler Zustand. Respektvoller Umgang auch bei deutlichen Differenzen, Zusammenarbeit, Anerkennung der Rolle der anderen müssen immer wieder neu geübt und praktiziert werden.