Call for Statements
Diskussion
Silke Ötsch
Was ist die besondere Aufgabe von Attac in der gegenwärtigen Situation?
Attac soll wie bisher Alternativen zur neoliberalen Politik aufzeigen, die die gewandelten globalen Zusammenhänge berücksichtigen und das Bewusstsein für die politische Gestaltung der Globalisierung schaffen. Es ist besonders wichtig, dass Attac die Aufmerksamkeit auf internationale Gestaltungsmöglichkeiten lenkt. Da sich Politik größtenteils auf die nationalstaatliche Ebene bezieht und internationale Zusammenhänge häufig unter der verkürzten Perspektive der klassischen Außenpolitik betrachtet werden, entgeht der Öffentlichkeit eine wichtige Dimension des Globalisierungsprozesses: Kapital und transnationale Konzerne bewegen sich in zunehmendem Maße in demokratie- und rechtsfreien Räumen und erpressen nationale Regierungen.
Neben dem internationalen Blickwinkel sollte die Aufklärung in wirtschaftspolitischen Fragen weiter betrieben werden. Ein Großteil der Bevölkerung überlässt diesen wichtigen Bereich "ExpertInnen", die wegen mangelnder Kenntnisse nicht ausreichend kritisiert werden.
Welche Themen sollte Attac behandeln?
Attac sollte sich bei den Themen einbringen, die einen erkennbaren Bezug zur Globaliserung haben. Die Themen, mit denen wir in die Öffentlichkeit treten sollten durchdacht sein, alternative Konzepte und möglichst realisierbare Lösungsvorschläge aufzeigen.
Die Bewegung sollte nicht um jeden Preis versuchen, auf tagespolitische Ereignisse aufzuspringen, sondern global und langfristig denken. Das kommt einerseits den eigenen Strukturen entgegen, da ehrenamtliche Mitglieder weniger kontinuierlich arbeiten als Presseagenturen. Andererseits benötigen komplexe globale Zusammenhänge eine umfassende Beschäftigung. Themen, die die größte mediale Aufmerksamkeit finden, sind nicht unbedingt die wichtigsten.
Momentan bietet sind insbesondere die Steuerpolitik an. In diesem Bereich hat Attac Konzepte vorzuweisen (Internationale Steuern und die SES), es gibt große Fehlentwicklungen (z.B. Steuerdumping weltweit und in der EU) und es wenig andere Bewegungen, die sich damit beschäftigen. Das betrifft auch das Thema EU, zu dem sich kaum andere ernstzunehmende Akteuere kritisch äußern. Die Rahmenbedingungen für die Einführung internationaler Steuern sind gerade sehr günstig, was ausgenutzt werden sollte.
Was ist unsere spezifische Stärke?
Wir haben Erklärungsmuster, die zutreffen, d.h. wir haben meistens Recht und häufig Recht behalten. Auf die Dauer überzeugt das mehr als mehr als die kurzzeitige Zustimmung, die der neoliberalen Politik zuteil wird. Außerdem können wir in einigen Fällen realisierbare Alternativen aufweisen. Attac hat den internationalen Blickwinkel, den viele andere politsche Analysen zu Unrecht lange ausgeklammtert haben.
Eine besondere Qualität von Attac ist, dass die Bewegung schrittweise vorgeht und punktuelle Forderungen erhebt, die der spezifischen Situation gerecht werden, anstatt umfassende vereinfachende Welterklärungsmuster zu liefern.
Das Verhältnis zu Parteien:
In Bezug auf Parteien sollte Attac problem- statt positionsorientiert arbeiten. Die Bewegung kann demnach bei programmatischen Übereinstimmungen mit Parteien punktuell zusammenarbeiten. Wenn minimale Differenzen übermäßig betont werden nützt das in erster Linie den mächtigeren Gegner aus dem neoliberalen Lager. Attac sollte jedoch die internationalen Aspekte besonders hervorheben, die bundesdeutsche Parteien vernachlässigen, da ihr Handlungsraum auf die nationalstaatliche Ebene eingeschränkt ist.
Was sollte sich bei Attac ändern?
In der frühen Phase hat Attac Ideen vermittelt, die einen großen Neuigkeitswert besaßen. Heute sind viele Konzepte der informierten Öffentlichkeit bekannt. Das ist jedoch nicht der einzige Grund für eine nachlassende Attactivität. Eine große Anziehungskraft der ersten Phase bestand auch darin, dass Attac eine Projektionsfläche für Zielvorstellungen und Utopien geboten hat. Die Strukturen schienen optimale Gestaltungsmöglichkeiten zu lassen, da sie noch offen waren. Um so demotivierender ist es, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass es bei Attac Strukturprobleme gibt, die an Parteien erinnern.
Es sollte verhindert werden, dass die Kenntnis über die Strukturen von Attac ausgenutzt wird, um partikuläre Interessen durchzusetzen. Unter anderem sollte der Status der MGOs und deren VertreterInnen überdacht werden. Menschen, die lange in Bundesgremien tätig sind, solten sich bitte selbst überlegen, ob es nicht Zeit ist, eine Attac-Pause einlegen, bevor wir über das Rotationsprinzip diskutieren müssen. Als weitere Maßnahme sollte Attac Deutschland die Genderpolitik von Attac Österreich übernehmen.