Call for Statements
Diskussion

1.Was ist eigentlich die besondere Aufgabe, was die spezifische Rolle von Attac in der gegenwärtigen Situation?

Hauptaufgabe von attac sind nach wie vor

- das Aufzeigen der Denkirrtümer und der fatalen Folgen der neoliberalen Globalisierung für die meisten Menschen in Nord und Süd, in Ost und West sowie

- die Vernetzung neuer sozialer Bewegungen mit ökologischen, christlichen, gewerkschaftlichen, karitativen und emanzipatorischen mit globalisierungskritischen Bewegungen weiter voranzutreiben und in solchen ‚nahestehenden’ Organisationen das Problembewusstsein für Fragen der Globalisierung zu verstärken

- mittels Lobbyarbeit in Parlamenten und offensiver Medienarbeit dafür zu sorgen, dass die Globalisierungproblematik verstärkt in den öffentlichen Fokus gerückt wird. Hierbei könnten Aktionen nach dem Vorbild von Greenpeace sehr hilfreich sein, wenn dabei auch entsprechende Inhalte dargestellt werden können und nicht nur die Aktion an sich im öffentlichen Bewusstsein haften bleibt.

 

2.Wohin entwickelt sich diese Situation und was können wir realistischerweise zu erreichen hoffen?

Bereits der zurückliegende Bundestagswahlkampf zeigte erste Ansätze dafür, dass neben der neoliberale ‚Reform’-Agenda zumindest auch wieder soziale Aspekte Berücksichtigung im politischen Raum finden (beim Großteil der Wähler war dies ohnehin immer so). Spannend wird sicher sein, wie die bevorstehende Große Koalition sich dann verbiegen wird beim Versuch, den Spagat zwischen neoliberalem Sozialabbau und Erhalt des Sozialstaates hinzubekommen. Genau in diese Themen muss attac (möglichst gemeinsam mit anderen Bewegungen) immer wieder einhaken und die Widersprüche aufzeigen bzw. an entsprechende Wahlaussagen erinnern. Nehmen wir die Parteien doch ernst, da werden die viel Freude dran haben!
Eine Veränderung der öffentlichen Diskussion und Wahrnehmung ist für mich ein realistisches Ziel. Ob es uns dabei gelingt, die Vorherrschaft des neoliberalen mainstreams zu durchbrechen, ist eine andere Sache. Aber schon die Ergänzung durch andere Sichtweisen auf unsere Welt wäre beim vorherrschenden Weltbild doch bereits ein großer Erfolg!

 

3.Wer sind dabei unsere wichtigsten Partner, und auf wen beziehen wir uns eigentlich, wen können wir mobilisieren?

Wichtigster Partner sind für mich ganz eindeutig die Gewerkschaften. Mit deren Hilfe sind auch Mobilisierungserfolge zu erzielen (siehe 03.04.2004), die sonst weit jenseits jeglicher realistischen Hoffnung lägen. Weitere Partner sind für mich die Sozialverbände, die Kirchen, Dritte-Welt-Organisationen sowie Naturschutzverbände und Friedensbewegung. Allerdings ist bis auf existenzielle Fragen wie Krieg und Frieden die Mobilisierungswirkung sowohl von attac selbst als aucch den meisten dieser möglichen Partnerorganisationen eher beschränkt. Insofern gilt es vor allem auch, mit Hilfe dieser Organisationen bzw. in diesen das Problembewusstsein hinsichtlich der neoliberalen Globalisierung auszuweiten und zu vertiefen.

 

4.Was ist eigentlich unsere spezifische Stärke im Konzert der verschiedenen politischen Akteure, warum soll man gerade auf uns hören?

Besondere Stärke von attac ist, dass sich bei attac Menschen mit unterschiedlichster Motivation (Sozialisten, Kommunisten, Trotzkisten, Anarchisten, Christen, Humanisten, Ökologen, Gewerkschafter, Feministinnen, Künstler, Anthroposophen, Freiwirtschaftler, ...) zusammengefunden haben, einig in ihrer Ablehnung dieser neoliberalen Globalisierung. Diese Breite der Bewegung sowohl von den Menschen her als auch infolgedessen in der Thematik ist einzigartig unter den NGO’s in Deutschland.

Gleichzeitig birgt diese Stärke natürlich auch die Gefahr der Verzettelung in sich. Deshalb heißt es, darauf zu achten

- keinesfalls das Rad mehrfach zu erfinden, sprich: Wo bereits befreundete Organisationen gute inhaltliche Analysen und Konzepte entwickelt haben, muss dieses nicht bei attac nochmals geschehen. Da gilt es dann eher, diese Arbeiten generalistisch zusammenzutragen.

- das Hauptaugenmerk weiterhin auf die zentralen ökonomischen Themen um WTO, GATS, Bolkestein, Steuern
Gelingt es attac, in einer Doppelrolle einerseits als Spezialist in Sachen ökonomischer Globalisierung und andererseits als verbindendes, übergreifendes Netzwerk verschiedenster Akteure wahrgenommen und akzeptiert zu werden, wird attac zunehmend auf Gehör im emanzipativen, kritischen Teil dieser Gesellschaft finden.

 

5.Welches Verhältnis sollen wir zu welchen Parteien und überhaupt zur Parteipolitik, zu parlamentarischer Politik einnehmen, was kann nur auf außerparlamentarischen Weg befördert werden und wie gewichten wir beides?

In attac sind Menschen unterschiedlichster Parteien ebenso wie sehr viele parteiungebundene Menschen Mitglied. Das ist gut so und dies soll eien auch so bleiben. Völlig unakzeptabel wäre es deshalb, attac als Hilfstruppe irgendeiner politischen Partei (miss-) zuverstehen. Ebensowenig sind natürlich die politischen Parteien dazu da; quasi parlamantarischer ‚Transmissionsriemen’ für bei attac entwickelte Politikkonzepte zu dienen.
Vielmehr ist genau dies auch eine der Stärken von attac, dass die Diskussion bei attac auch befruchtet wird von Diskussionen in unterschiedlichen Parteien und umgekehrt globalisierungskritische Positionen in diesen Parteien zumindest diskutiert werden, auch wenn sie (bisher ?) in den Bundestagsparteien meist nicht mehrheitsfähig sind.

Unerlässlich bleibt für mich für attac, sowohl in den Parteien selbst mit Hilfe unserer gemeinsamen Mitglieder als auch in der Öffentlichkeit immer wieder laut zu geben, wenn neoliberale Umverteilung stattfinden soll oder gar Wahlaussagen gebrochen werden sollen.

 

6.Was muss sich innerhalb von Attac tun, was auch muss sich innerhalb von Attac verändern?

Ich weiß, das ist nicht konsensfähig. Ich möchte dennoch anregen darüber nachzudenken, sehr wenige Kampagnen (möglichst nicht mehr als 1 gleichzeitig) bei attac zu fahren, und diese dann aber möglichst flächendecken. Dies würde sowohl die Orientierung der attacies selbst wie der interessierten Öffentlichkeit wesentlich erleichtern und auch die Schlagkraft wesentlich erhöhen. Über die Konsequenzen bin ich mir bewusst, deshalb halte ich auch zunächst einmal Nachdenken hier schon für einen Fortschritt. Vielleicht gibt’s ja bessere Ideen.

Für eine Organisation, die sich um alles und das auch noch gleichzeitig bei schrumpfender Aktivistenzahl kümmert sehe ich auf jeden Fall keine allzu gute Zukunft.

 

7.Andere Dringlichkeiten, andere Fragen, Optionen und Chancen?

Ich denke, dass attac derzeit eine Konsolidierungsphase durchläuft. Viele, die vor 3-5 Jahren euphorisch bei attac eingestiegen sind, merken inzwischen, dass es in der Politik nichts mit schnellen Erfolgen ist und vielmehr ein langer Atem erforderlich ist, so überhaupt noch Erfolge in Aussicht sind. Demzufolge ist die aktive Basis inzwischen vielerorts deutlich geschrumpft. Wir sollten unsere Aktivitäten der geschrumpften Basis anpassen. Hoffen wir, dass der nächste Aufschwung kommt (es muss ja nicht gerade ein Krieg sein, evtl. reicht auch bereits die große Koalition) und tun bis dahin das uns Mögliche dazu.

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