Call for Statements 
 Diskussion
    
Jörn Wiertz, Düsseldorf 
 
Eine neue Rolle für attac
Global kracht es an allen Ecken und Enden. Nicht nur der afrikanische
  Sturm auf Europa lässt ahnen, wie sehr der Abbau des globalen
  Ungleichgewichts in unserem eigenen Interesse liegt. Die politische
  Situation könnte sich schneller zuspitzen als wir erwarten. Auch auf
  nationaler Ebene. Mit einem ?weiter so? ist es nicht getan. Die Große
  Koalition ? wenn sie denn kommt ? ist zwar auch eine Koalition der
  Ratlosen und wird auf die Wähler Rücksicht nehmen müssen. Das macht sie
  aber nicht ungefährlicher. Die neoliberale Fraktion braucht dringend
  Erfolge. Ansonsten droht nicht nur ihre Konkurrenzrhetorik
  zusammenzubrechen.
  
  Als Antwort auf den ?Klassen?kampf ?von oben? wird sich der ?von unten?
  hoffentlich prächtig entwickeln. Wir sollten uns allerdings im Klaren
  darüber sein, dass auch die Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung
  in der Ideologie der Konkurrenz selbst verhaftet bleibt. Wir wollen im
  Unterschied dazu die Kräfte für ein gesellschaftliches Projekt jenseits
  der Konkurrenzgesellschaft bündeln. Das heißt nicht Widersprüche zu
  verkleistern und Konturen zu verwischen, sondern unsere Grenzen zu
  haben, ohne deshalb den Anspruch auf alleinige Wahrheit zu erheben.
  Wir sollten auch auf der lokalen Ebene die Zusammenarbeit mit den
  Gruppen unserer Mitgliedsorganisationen entwickeln. Sie gehören auch vor
  Ort an den Tisch. Der Kokreis sollte den Auftrag bekommen die nötigen
  Schritte einzuleiten. Auch brauchen wir stärkere Kooperation mit Umwelt-
  und sozialer Bewegung. Das muss in der Praxis vor Ort geschehen. Wir
  können hier zwar nur Anstöße geben, aber kräftige sollten es schon sein.
Unsere originären Themen stehen jetzt auf der politischen Tagesordnung.
  Von uns ist aber öffentlich nicht viel zu hören. Auch unser ?großes
  Thema? liegt ziemlich brach. Die Ideologie von Konkurrenz, die wir ja
  alle selbst im Kopf haben, sollten wir offensiver infrage stellen. Ganz
  praktisch. Gleichzeitig sollten wir zu einer langfristigen Vision
  kommen. Vielleicht s doch mal konkretisieren wie ?eine andere Welt? denn
  aussehen könnte. ? Muss ja nicht für die Ewigkeit sein.
  Die Debatte zum Thema ?Arbeit? sollten wir ebenfalls zum Schwerpunkt
  machen. Sonst können wir uns auf die Dauer nicht von den Sachzwängen
  des ?Arbeitsmarktes? lösen. Die Debatte hat für die politische
  Entwicklung in den Industrieländern grundsätzliche Bedeutung und berührt
  das Grundverständnis unserer Nachkriegsideologie. Sie sollte schon
  deshalb längerfristig angelegt sein. Wir sollten auch über mögliche
  Formen ?gesellschaftlicher Arbeit? diskutieren.
  
  In der Parteienlandschaft hat es einen Bruch gegeben. In der Linken.PDS
  sind viele Menschen die unseren Themen nahe stehen. Wir können damit
  rechnen, dass unsere Vorstellungen im Bundestag diskutiert werden und so
  auch außerhalb des Parlamentes zum Gegenstand öffentlicher Debatten
  werden. Die sich daraus ergebenden Gelegenheiten sollten wir nutzen.
  Wohlwollende Unterstützer haben wir aber auch in anderen Parteien. Allzu
  tiefe Kniefälle brauchen wir also nicht zu machen. Unser Ansatz ist
übergreifend. Und in dieser Vielfalt liegt bekanntlich unsere Stärke.
  Wir verstehen uns (auch) als ?Bildungsbewegung?. Das verschafft uns Raum
  in Bestehendes hineinzuwirken. Unter Bildung verstehe ich aber mehr, als
  sich gegenseitig Weisheiten in die Birne zu knallen. Unsere Wahrnehmung
  geht über die intellektuelle Verarbeitung von Worten hinaus. Warum haben
  wir eigentlich keine Truppe, die durch die Lande zieht und mit kreativen
  Aktionen die Menschen auf der Straße zu Nachdenken bringt? Bei aller
  Vorliebe für kleinräumige Entwicklung sollten wir die Möglichkeiten von
  ?zentraler Organisation? nicht außer Acht lassen. Das könnte eine
  hervorragende Unterstützung der Gruppen vor Ort sein und ihnen Auftrieb
  geben. Ein Vorschlag über deren Realisierung auf dem Ratschlag geredet
  werden sollte.
  
  Unser Verhältnis von Zentralismus und regionaler Organisation sollte
  sich ebenfalls ändern. Unsere Verbindungen sind kooperativ und nicht
  hierarchisch. Das sollte auch so bleiben. Aber gerade deshalb brauchen
  wir hier einen Aufbruch. Im Netzwerk attac sind vor allem die
  Verbindungen schwach.
  
  Eine Idee: 
  Über das Mitteilungsforum www.attac.de hinaus schaffen wir
  einen lebendigen und aktuellen Internetauftritt in dem sich Bewegung auf
  allen Ebenen wieder findet und so angeregt wird. Das wäre ein erster
  kleiner Schritt. Ein anderer könnte sein, dass das Gremium
  Koordinationskreis die Koordination der lokalen Gruppen verantwortlich
übernimmt. Was die Gruppenunterstützung angeht, gibt es hervorragende
  Ansätze, die ich ausdrücklich loben möchte. Aber im Kontext der Rolle
  des Kokreises für attac Deutschland erscheinen mir dessen Impulse eher
  dürftig.
Jörn Wiertz, attac Düsseldorf


