Call for Statements
Diskussion

Beitrag von Heinrich Piotrowski zum "Call for statements"

1. Was ist eigentlich die besondere Aufgabe, was die spezifische Rolle von Attac in der gegenwärtigen Situation,

Wir haben immer noch unsere Basics: die Frage der Globalisierung in andere Themenbereiche hineinzubringen. Auch wenn andere Organisationen dies mittlerweile bearbeiten ist das eines unserer originären Bereiche. Ein zweiter Bereich ist unsere Bündnisfähigkeit, die wir erreicht haben, die wir aber nicht durch eine zu enge politische Ausrichtung verlieren dürfen.

Wenn es heute eine ‚linke’ Partei im Bundestag gibt, dann ist dies auch ein Teil unseres Erfolges im Bereich der Bündnisarbeit. Wir haben Menschen zusammengebracht, haben die Kommunikation unterschiedlicher politischer Richtungen gefördert und haben die alte Methode desgegeneinander hin zu einem Miteinander massiv gefördert.

Dies weiter zu gestalten dürfte auch weiterhin eine wichtige Aufgabe von ATTAC sein und bleiben.

======================================

2. Wohin entwickelt sich diese Situation und was können wir realistischerweise zu erreichen hoffen?

Wir müssen die politische Realität der BRD-Gegenwart zur Kenntnis nehmen und als Ist- Zustand akzeptieren. Wir werden eine rot-schwarze Koalition bekommen, die zumindest versuchen wird, die Politik die Schröder eingeleitet hat, fortzusetzen.

Dies betrifft alle Bereiche, von der Thematik Frieden über wachsendem Demokratieverlust bis hin zum Sozialabbau. Wie weit dies dieser Regierung gelingt ist noch nicht absehbar.

Absehbar ist eine Lähmung der Politik in vielen Feldern, da sich schwarz und rot gegenseitig blockieren.

Aber was können wir erreichen? Etwas konkretes:

a) Bolkestein und Mindestlohn. Ein Mindestlohn für weite Bereiche der Wirtschaft könnten möglich sein.

b) Die Angleichung von ALG II in Ost und West steht glaube ich auf der Tagesordnung – aber auch eine gewisse Erhöhung von ALG II könnte machbar sein.

c) Örtlich wäre es wichtig die Mietfrage für ALG II-EmpfängerInnen zu problematisieren.

d) In den internationalen Fragen, WTO, GATS u.ä. sind wir nicht die Speerspitze der Bewegung. Hier läuft uns Lateinamerika und Asien den Rang ab. Unterstützungsarbeit leisten ja, aber wesentlichen Einfluss auf Entscheidungen haben wir nicht. Wir haben dafür nicht die ökonomische Basis und nicht die Möglichkeiten einer „Schattenwirtschaft“ wie sie zum Teil in
Lateinamerika und Asien Wirklichkeit ist.

e) Wir sollten aber deshalb nicht verzichten, diesen Aspekt in der BRD zu propagieren. Hier könnten wir unsere internationalen Beziehungen etwas mehr spielen lassen und eine weitere, nach unserem Selbstverständnis, wesent lichen Aufgabe weiterentwickeln, die f) „ökonomische Volksbildung“.

======================================

3. Wer sind dabei unsere wichtigsten Partner, und auf wen beziehen wir uns eigentlich, wen können wir mobilisieren?

Unser schlagkräftigster Partner war bisher (in Grenzen) die Gewerkschaftsbewegung, darüber hinaus das, was wir unter sozialer Bewegung verstehen, ob national agierend oder nur regional vor Ort.

Wir haben jetzt einen Partner dazu bekommen – die Linkspartei, PDS/WASG. Inwieweit sich diese neuen „Partner“ als Teil der sozialen Bewegungen in diesem Lande verstehen, wird die Zukunft zeigen. Seien wir aber erst einmal optimistisch und geben ihnen einigen Vertrauensvorschuss, auch wenn wir nicht vergessen dürfen, dass sich Parteien im wesentlichen auf die
Tagespolitik stürzen, und in Gefahr laufen, sich in die (trotzdem notwendige) Kl einarbeit zu verlieren und darüber unser Ziel, den Aufbau einer „anderen Welt“ vergessen. Stichwort Visionen!

======================================

4. Was sind die Themen, mit denen sich Attac in die aktuelle Debatte einmischen kann, einmischen soll?

Natürlich
a) sich an den sozialen Bewegungen in der BRD beteiligen. Was hier auf uns zukommt, können wir noch nicht abschätzen – aber es werden einige Sachen kommen – denn sind wir ehrlich, die Berliner Schweinereien kommen auch. Ich habe diesen Bereich als ersten genannt, weil dies das politische Feld ist, das die Menschen in unserem Land am stärksten praktisch und intellektuell
betrifft und damit der Bereich ist, in dem wir den größten Einfluss mit unseren Ideen und Visionen entwickeln können.

b) unseren originären Bereich Globalisierung nicht vergessen, Stichwort Heiligendamm und

c) in diesem Zusammenhang, wenn möglich und wenn die Bereitschaft von ATTACies da ist, die Bereiche EU und Demokratieabbau.

======================================

5. Was ist eigentlich unsere spezifische Stärke im Konzert der verschiedenen politischen Akteure, warum soll man gerade auf uns hören?

Wir haben m.E. drei Pfunde, mit denen wir wuchern können:
a) noch mal der Bereich Globalisierung, mit der ATTAC verbunden wird.

b) Noch einmal unsere Bündnisfähigkeit, unser vermögen, als Schmiermittel zwischen verschiedenen politischen Richtungen zu vermitteln. Nicht umsonst wird der Begriff des „Konsensprinzips“ in den sozialen Bewegungen mit ATTAC verbunden.

c) Unser Know How! Es wird jeder/m schwer fallen, ein politisches bzw.ökonomisches Problem zu finden, an dem ATTACies noch nicht fundiert gearbeitet haben. Dieses Wissen in der einen oder anderen Form zu sammeln
(und natürlich auch einzusetzen), ist auch eine Aufgabe der wir uns stellen müssen.

======================================

6. Welches Verhältnis sollen wir zu welchen Parteien und überhaupt zur Parteipolitik, zu parlamentarischer Politik einnehmen, was kann nur auf außerparlamentarischen Weg befördert werden und wie gewichten wir beides?

Zwei Aspekte:
a) Parteien machen im wesentlichen Tagespolitik und denken max. in Vier-Jahres-Zeiträumen. Auch wenn ich die Hoffnung habe dass die Linkspartei/WASG etwas über diesen Tellerrand hinausschauen wird, bleibt es doch auch bei deren Schwerpunkt Tagespolitik.

b) ATTAC macht sowohl Tagespolitik, aber mit gleicher Gewichtung auch eine konzeptionelle Politik, die mittel- und langfristig angelegt ist und die in verschiedenen politisch/ökonomischen

Feldern Konzepte/Visionen der von uns geforderten „anderen Welt“ beinhaltet.

Daraus resultiert unsere Position zu den Parteien. Viele von uns werden den sozialen Vorstellungen der Linkspartei nahe stehen. Viele von uns werden aber auch den ökologischen Zielen der Grünen nahe stehen, so wird es m.E . auch Diskussionen über erneuerbare Energien, evt. Kontra AKW’s geben.

Was wir nicht dürfen, ist uns von einer Partei (hier wohl die Linkspartei) vereinnahmen zu lassen,

bzw. hier die kritische Distanz zu verlieren. Das sage ich auch als Mitglied dieser Linkspartei.PDS.

Wenn ich oben von unserem Pfund „Bündnisfähigkeit“ gesprochen habe, dann müssen wir zwingend auch unsere politische Unabhängigkeit bewahren.

Links Ja, Orientierung auf eine Partei, Nein!

======================================

7. Was muss sich innerhalb von Attac tun, was auch muss sich innerhalb von Attac verändern?

Einige kritische Ansatzpunkte, z.B.:

a) es gibt wenige Möglichkeiten von ATTACies in bundesweiten Zusammenhängen mitzuarbeiten, wenn sie nicht mindestens 10 Stunden in der Woche bereit sind, sich für ATTAC zu engagieren.

b) Der Aktivitätsgrad in den Lokalgruppen sinkt. Das hat Gründe – aber welche?

c) Wir haben viel Wissen. Es gibt kaum ein politisches Feld in dem wir nicht gearbeitet haben – ich denke hier auch konkret an die diversen kommunalen Problemfelder. Dieses Wissen zu sammeln und zu koordinieren (evt. In Form einer Datenbank) wäre evt. Sinnvoll

d) Wir haben bundesweite AG’s die isoliert arbeiten und so kommt es in den Forderungen, die diese aufstellen zu Widersprüchen (wir haben dies im Vorfeld der BT-Wahlen erlebt). Hier ATTAC-D wieder zu „vereinheitlichen“ könnte/sollte/müsste eine Aufgabe in der Zukunft sein

e) Unsere zentrale Aussage ist: „Eine andere Welt ist möglich!“. Wir könnten uns überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre in unseren Webseiten eine Rubrik „Visionen – und die Schritte dahin“ einzurichten. „Visionen“ sind wichtig, sie bieten ein Ziel, auf das Mensch hinarbeiten kann.

======================================

8. Andere Dringlichkeiten, andere Fragen, Optionen und Chancen?

a) Wir sollten uns vielleicht einmal etwas näher mit Lateinamerika befassen. Wir in Europa sind gegenwärtig m.E. nicht der Nabel des Planeten, nicht der Motor des Fortschrittes hin zu einer anderen Welt. Andere als wir – hier hauptsächlich Lateinamerika, aber auch z.B. Indien - versuchen andere Formen des Zusammenlebens zu entwickeln, versuchen auch, sich aus der ökonomischen Vormachtstellung der USA zu lösen und auch in diesem Bereich andere Ansätze zu finden.

Heinrich Piotrowski
Attac-Köln

.