Call for Statements
Diskussion
Hendrik Auhagen
Für einen breiten europäischen Widerstand - gegen den neoliberalen Totalitarismus!
Neoliberale Globalisierung ist keine dynamisierte Fortschreibung des westeuropäischen Sozialstaatsmodells, keine Flexibiliserung der sozialen Marktwirtschaft der 60er bis 80er Jahre, sondern eine radikale Revolution von Oben - gegen die fundamentalen Lehren aus der Weltwirtschaftskrise von 1929, gegen die Substanz von Demokratie, indem die Staaten durch den globalen Wettbewerb zur wirtschaftspolitischen Machtlosigkeit ausgehöhlt weren und gegen die zentralen Werte der Aufklärung, indem der gnadenlose Kampf ?Jeder gegen Jeden" zur Leitidee ausgerufen wird.
Nicht der bunte Schein solidarischer Weltverbundenheit macht den Kern der sogenannten Globalisierung aus, sondern das gnadenlose Ausspielen insbesondere der lohnabhängigen Menschen und der Gemeinwesen weltweit! Diese Bedrohung in ihrer ganzen Schärfe ins gesellschaftliche Bewusstsein zu bringen, ist eine immer noch nicht ausreichend geleistete Aufgabe!
2. Überall in Europa eine Mischung aus Revolte und Resignation - und das Verlangen nach bündelnder Perspektive
Montagsdemonstrationen, Generalstreiks und Protestabstimmungen überall in Europa gegen Sozialkürzungen, Raub-Privatisierungen und Steuergeschenke für Starke. Indem aber damit zumeist nur die Folgen und nicht die neoliberale Logik der internationalen Abwärtsspirale angegriffen werden, münden die Revolten leider oft in Resignation. Drei Faktoren tragen zu dieser Resignation bei:
1. Es gibt keine gemeinsame zumindest europäische Alternativperspektive!
2. Über ihre Konsumentenrolle, in der sie von Billiglohnprodukten profitieren, werden
die Westeuropäer zumindest unbewusst bestochen. (Immer noch erwarten viele Menschen selbstverständlich Schnäppchenpreise bei ihrem Einkauf und empören sich gleichzeitig über die tatsächliche Verdrängung von existenzsichernd bezahlter Arbeit.)
3. Mit dem Stabreim ?die Globalisierung gerecht gestalten" wird von wohlmeinenden Pro-Globalisierern die eingängige Illusion verbreitet, mit ein paar Konferenzen a la Rio und Kyoto ließen sich der sogenannten Globalisierung ganz leicht mal eben die Giftzähne ziehen. Damit verharmlosen sie das groteske Missverhältnis zwischen rasend vorangetriebenem Sozial-Dumping und dem Schneckentempo von internationalen Regelungsversuchen.
Angesichts der neoliberalen Dreistigkeit und der verbreiteten Existenzangst fehlt es eigentlich nicht an Mobilisierungsbereitschaft breiter Bevölkerungsteile - sondern an der zuspitzenden Bündelung - über Einzelinteressen und Nationen hinaus!
De-Globalisierung: weltweite Solidarität für eigene Wege und gegen das Ausspielen!
Die real-existierende ?Globalisierung" besteht im Gegeneinander-Ausspielen, was in den Bevölkerungen nationalistische Gefühle erst richtig schürt. Wenn das - insbesondere bei uns in Kontinentaleuropa verhindert werden soll, dann braucht es ein politisches Bekenntnis zum Schutz gegen Sozialdumping und für den Erhalt existenzsichernder Strukturen - bei gleichzeitiger Bereitschaft zur verstärkten materiellen Solidarität, mit den III-Welt-Ländern, die ebenfalls ihren eigenen Weg gehen wollen.
De-Globalisierung zielt auf die Weiterentwicklung des zwar keineswegs fehlerlosen, aber doch historisch einmalig erfolgreichen westeuropäischen Sozialmodells. Mit den Checks und Balances von Kapital und Arbeit, Markt und Staat ergänzt durch die Privilegierung mittelständischer und genossenschaftlicher Regionalkreisläufe. Sowie einem in Zukunft solidarischen aber gerade deshalb nicht grenzlosen Außenaustausch. Sprich das, was Walden Bello unter Begriff ?De-Globalisierung" überzeugend skizziert hat.
Die Breite der europäischen Bevölkerungen mobilisieren!
Nicht nur Prekarierte und Lohnabhängige sind potentielle Gegner des neoliberalen Totalitarismus. Auch viele der ?Globalisierungs"-Gewinner sind aus ethischen Motiven heraus gegen die neoliberale Brutalisierung und bereit, für solidarische Gesamtlösungen mehr Steuern zu zahlen. Und sogar der Typ des kreativ-qualitätsorientierten Unternehmers spürt die existenzielle Bedrohung durch den radikal-neoliberalen ?Heuschrecken-Kapitalismus". Es gibt also das Potential für eine sogar hegemoniale Front gegen die neoliberale Globalisierung!
Das setzt aber ein breites Bündnis voraus, sowohl für die humane Existenzsicherung der Prekarierten als auch eine überzeugende Perspektive für sozial gewissenhafte Unternehmer. Denn wer wirksam dem neoliberalen Tolitarismus entgegentreten will, darf selbst keine eigene ideologische Enge pflegen!
Bündelung des europäischen Widerstandes - gegen europaweites Steuerdumping
Ein Ansatzpunkt für einen initialen Sieg gegen den Neoliberalismus: die noch teilweise diffusen Empörung westeuropäisch auf wenige Schlüsselziele hin zu bündeln! Für gesamteuropäische Mindestbesteuerung von Unternehmens- und Kapitalgewinnen würde es sich lohnen eine europäische Protest- und Streikbewegung zu organisieren. Denn ob es sich belgische Eisenbahner, französische Lehrer oder Berliner Klinikärztinnen handelt, die Problemursache lässt sich weitgehend auf eine EU hin bündeln, die zum Teil bewusst Steuerdumping und -flucht zulässt, um öffentliche Dienstleistungen zur Privatisierungsreife auszuhungern. Als eine relativ unabhängige und gleichzeitig überall in Westeuropa vertretene Struktur hätte Attac das Potential, als Katalysator für die europäische Zuspitzung des Widerstands zu werden! Bedingung für die Übernahme dieser Funktion ist der Wille zur Wirksamkeit, zur Entfaltung der Macht der noch-sozial orientierten Mitte und zu einer Professionalität, die dem Ernst dessen, was auf dem Spiel steht, gerecht wird.