Bilanz SPD-Beschluss
Kommentar zum SPD-Bundesparteitagsbeschluss zur Bahnprivatisierung
Auf dem SPD-Bundesparteitag vom 26.-28. Oktober wurde die Bahnprivatisierung sehr kontrovers diskutiert und mehrheitlich abgelehnt. Erst nachdem Parteivorsitzender Kurt Beck die Vertrauensfrage stellte, stimmten die Delegierten für das - allerdings in wichtigen Punkten abgeänderte - Vorzugsaktienmodell, das der Parteivorstand als Initiativantrag eingebracht hatte. Untenstehend die Analyse aus einem Parteitags-Flugblatt des Bündnisses "Bahn für Alle".
- Pressemitteilung zum Parteitagsbeschluss: SPD setzt Mindeststandards für die Bahn im Allgemeinwohl
- Politische Bewertung: Koalition soll Scheitern der Bahnprivatisierung eingestehen
"Sollte dieses Modell der stimmrechtslosen Vorzugsaktien nicht durchgesetzt werden können, dann beauftragt der Parteitag den neugewählten Parteivorstand, nach Beteiligung des Parteirates, der Landes- und Bezirksvorsitzenden sowie der Verkehrs-, Wirtschafts- und Finanzpolitiker des Bundes und der Länder, jedwede vorgeschlagene Lösung zu beurteilen. Der Parteivorstand wird auch im Lichte der Debatten auf dem Hamburger Parteitag urteilen und diese [Lösung] dem nächsten Parteitag zur Entscheidung übertragen." (aus dem Text des SPD-Parteitagsbeschlusses zur sog. Volksaktien-Bahn)
Bahnprivatisierung: gestern gebremst, heute stoppen
Der Applaus für die Reden von Peter Conradi und Eckart Kuhlwein in der gestrigen Bahnprivatisierungs-Debatte hat gezeigt, dass die meisten Delegierten des SPD-Bundesparteitags gegen die Bahnprivatisierung sind. Vielen war klar: Ohne den Initiativantrag des Vorstands würde der Parteitag die Bahnprivatisierung ablehnen und einen der ursprünglichen Anträge (U19 und folgende) annehmen.
Das ist nicht passiert. Dennoch: Die SPD hat zur Zukunft der Bahn klar gestellt, dass das Allgemeinwohl wichtiger ist als kurzfristige Gewinne für Investoren oder den Staat als Verkäufer. Die Delegierten haben einen Mindeststandard für eine Privatisierung gesetzt, der nun nicht mehr unterschritten werden kann:
- Einfluss privater Investoren ausschließen,
- Sicherung der Arbeitsplätze, keine Zerschlagung der Bahn, kein Dumpingwettbewerb,
- klares Bekenntnis zur öffentlichen Daseinsvorsorge,
- Erreichbarkeit und Mobilität in der Fläche sichern.
Um den Einfluss privater Investoren zu verhindern, sollen ausschließlich stimmrechtslose Vorzugsaktien verkauft werden. Jede Abweichung braucht letztendlich einen neuen Parteitagsbeschluss.
Union fordert Trennung von Netz und Betrieb
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Hans-Peter Friedrich und der verkehrspolitische Sprecher der Unions-Fraktion Dirk Fischer haben kurz nach dem Beschluss des SPD-Parteitags faktisch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee aufgefordert, den Parteitagsbeschluss zu ignorieren. Sie gehen sogar noch weiter und verlangen ganz offen, Netz und Betrieb zu trennen. Dies wäre der Beginn der Zerschlagung der DB AG.
Der Parteivorstand und seine Mitglieder – also auch Wolfgang Tiefensee – müssen nun das in sie gesetzte Vertrauen bestätigen und dieses Verlangen der Union zurückweisen. Auch, wenn dadurch kein Kompromiss mit der Union möglich ist und die Bahnprivatisierung endgültig scheitert.
Das wäre die bessere Lösung. Sie entspricht sowohl dem Willen der SPD-Wählerinnen und -Wähler wie der Stimmung der SPD-Parteitagsdelegierten. Sie würde den Weg frei machen für eine offene Debatte über eine bessere Bahn im öffentlichen Eigentum.
Stimmrechtslose Vorzugsaktien verhindern keine Großinvestoren
Denn auch stimmrechtslose Vorzugsaktien können auf Dauer Großinvestoren und ihren Einfluss nicht verhindern. Jeder Verkauf von DB-Anteilen setzt die Bahn einem Renditedruck aus, dessen Folgen Streichungen von Fernverkehrsverbindungen, verteuerter Nahverkehr, weniger Güterverkehr auf der Schiene sowie höhere Fahrpreise wären.
Durch eine Gesetzesänderung oder das Ausbleiben der garantierten Dividende kann die Stimmrechtslosigkeit entfallen, so dass Aktienbesitzer oder Zweitkäufer Einfluss auf die Unternehmenspolitik bekommen. Geld für tatsächlich notwendige Investitionen in besseren Bahnverkehr könnte stattdessen mit dem Verzicht auf verkehrspolitisch zweifelhafte Großprojekte, mit Staatsanleihen oder Krediten aufgebracht werden.
Unterschreiben gegen Bahnprivatisierung
Peter Conradi und Eckart Kuhlwein gehören zu den neun Erstunterzeichnern des Aufrufs von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gegen die Bahnprivatisierung. Seit Ende September haben bereits mehr als 1700 SPD-Mitglieder unterschrieben. Unterschreiben auch Sie!
"Bahn für Alle" ist ein Bündnis von 15 Organisationen aus Globalisierungskritikern, Umweltschutzverbänden, politischen Jugendverbänden und Gewerkschaften und setzt sich ein für eine verbesserte Bahn in öffentlicher Hand. Träger des Bündnisses sind Attac, Bahn von unten, BUND, Bürgerbahn statt Börsenbahn, Eurosolar, Grüne Jugend, Grüne Liga, IG Metall, Jusos in der SPD, Linksjugend Solid, NaturFreunde Deutschlands, Robin Wood, Umkehr, VCD Brandenburg und ver.di.