18.09.02 15:23:47
Sehr geehrter Herr Hahn,
vielen Dank für Ihr E-Mail vom 26. August, in dem Sie Ihre Besorgnis
über die laufenden Verhandlungen zum allgemeinen Dienstleistungsabkommen
GATS zum Ausdruck bringen. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, zu
Ihren Forderungen Stellung zu nehmen.
Um die sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen Folgen durch
ein unabhängiges Gutachten konkret bewerten zu können, müßten zunächst
die ausgehandelten Ergebnisse vorliegen. Deshalb halte ich es nicht für
sinnvoll, die laufende Verhandlungsrunde zu stoppen. Im übrigen obliegt
es der souveränen Entscheidung der an den Verhandlungen beteiligten
Länder, ob und in welchem Umfang sie weitere Liberalisierungspflichten
übernehmen. Ich bin mir sicher, daß der Deutsche Bundestag diesen Teil
der Verhandlungsergebnisse bei der Ratifizierung besonders
berücksichtigen wird.
Hoheitlich erbrachte Dienstleistungen sollen nicht dem Anwendungsbereich
des GATS-Abkommens unterliegen. Allerdings halte ich eine Präzisierung
des Begriffs "hoheitlich erbrachte Dienstleistungen" für notwendig. Nach
dem GATS-Übereinkommen ist es den WTO-Mitgliedern unbenommen,
spezifische nationale Sensibilitäten, die insbesondere im Bereich der
Daseinsvorsorge vorliegen können, sachgerecht zu berücksichtigen und
hierfür geeignete nationale Regelungen vorzunehmen bzw. beizubehalten.
Hierauf wird in der Präambel des GATS-Übereinkommens ausdrücklich
hingewiesen. Daneben hat die EU in ihren Anfang Juli an die übrigen
Verhandlungspartner übermittelten Liberalisierungsforderungen zusätzlich
klargestellt, daß sie nicht den Abbau öffentlicher Dienstleistungen oder
die Privatisierung staatlicher Unternehmen sucht. Die Enquete-Kommission
des Deutschen Bundestags "Globalisierung der Weltwirtschaft -
Herausforderungen und Antworten" empfiehlt darüberhinaus, die sogenannte
öffentliche Daseinsvorsorge von den Verhandlungen zum GATS-Abkommen
auszunehmen. Diese Leistungen dürfen nach Ansicht der Enquete-Kommission
auch nicht als "Tauschoption" für die Marktöffnung privater
Dienstleistungen genutzt werden.
Der Vorwurf, daß die GATS-Verhandlungen in nicht-transparenter Weise und
unter Ausschluß von Öffentlichkeit und Parlament durchgeführt werden,
ist unbegründet. Die GATS-Verhandlungen werden von der EU-Kommission
gemeinsam mit den demokratisch legitimierten Regierungen der
EU-Mitgliedsstaaten geführt. Innerhalb der Bundesregierung stimmt das
für die Dienstleistungsverhandlungen federführende Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie die einzelnen Sachpositionen mit den
zuständigen Bundes- bzw. Länderressorts ab. Der Deutsche Bundestag wird
fortlaufend über den aktuellen Stand der Verhandlungen unterrichtet.
Außerdem führen auf nationaler Ebene das Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie sowie auf supranationaler Ebene die
Kommission der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel einen regelmäßigen
Austausch mit der Zivilgesellschaft durch. Die Abstimmung des bis Ende
März 2003 von der Gemeinschaft vorzulegenden eigenen
Verhandlungsangebotes wird ebenfalls einem breiten und umfassenden
Abstimmungsprozeß unterzogen werden.
Lassen Sie mich abschließend noch betonen, daß der Deutsche Bundestag
dem Thema Globalisierung der Weltwirtschaft durch die Einsetzung einer
Enquete-Kommission in dieser Legislaturperiode große Bedeutung
zugemessen hat. Die Enquete-Kommission hat inzwischen ihre Arbeit
abgeschlossen und u.a. eine Reihe von Empfehlungen zu den
GATS-Verhandlungen abgegeben, die auch meine Unterstützung finden. Sie
finden den Abschlußbericht der Enquete-Kommission (Bundestagsdrucksache
Nr.: 14/9200) auf dem Bundestagsserver
(http://www.bundestag.de/parfors/parfors.htm).
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Schwanitz
Mitglied des Deutschen Bundestages
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Rolf Schwanitz MdB
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Fax: (030) 22776937
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