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Stephan Lindner: Zuspruch für Finanzsteuer

Mit großer Mehrheit hat sich das EU-Parlament am Mittwoch hinter den Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer gestellt. Ginge es nach den Abgeordneten, dann fiele demnächst beim Handel mit Aktien und Anleihen ein Steuersatz von 0,1 Prozent und beim Handel mit Derivaten ein Steuersatz von 0,01 Prozent an.

Das ist zwar weniger als der vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac gewünschte einheitliche Mindeststeuersatz von 0,05 Prozent auf Derivate, würde aber immerhin schon einmal zu Einnahmen von 57 Milliarden Euro führen. Leider hat das EU-Parlament in Steuerfragen nur eine beratende Funktion. Anders als bei nationalen Parlamenten ist die Steuer deshalb noch lange kein Gesetz. Das kann allein der Rat entscheiden, in dem die Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten das Sagen haben.

Attac begrüßt den Parlamentsbeschluss dennoch. Attac-Mitbegründer Sven Giegold, als Europa-Abgeordneter selbst am Zustandekommen beteiligt, sieht Attac sogar der Durchsetzung seiner Gründungsforderung einen großen Schritt näher gekommen. Peter Wahl, Finanzmarktexperte bei der Attac-Mitgliedsorganisation WEED, hofft, dass dadurch auch neue Dynamik für die Beratung im Rat entsteht, wo die Einführung der Steuer bisher von Großbritannien und einigen anderen EU-Staaten blockiert wird. Diese Hoffnungen sind nicht ganz unbegründet, denn der Parlamentsvorschlag enthält gegenüber dem vorangegangenen Kommissionspapier zwei entscheidende Verbesserungen. Um die Blockade einzelner Länder im Rat zu umgehen, fordert Attac seit Langem, dass eine Koalition der Willigen bei der Einführung der Steuer vorangeht. Das findet sich jetzt auch im Parlamentsvorschlag, der dazu das in den EU-Verträgen enthaltene Instrument der verstärkten Zusammenarbeit empfiehlt.

Die zweite wesentliche Verbesserung betrifft die Eindämmung von Umgehungsmöglichkeiten. Geht es nach dem Willen des EU-Parlaments, dann soll die Steuer sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer bezahlt werden, also zweimal anfallen. Dabei unterliegen beide Seiten dem Herkunftslandprinzip. Entscheidend ist also nicht, wo das Geschäft getätigt wird, sondern wo Käufer beziehungsweise Verkäufer ihren juristischen Sitz haben. Lässt sich die Steuer bei einer der beiden Vertragsparteien nicht eintreiben, weil sie in einem Land sitzt, das die Steuer nicht erhebt, so ist deren Steueranteil von der anderen Vertragspartei mit zu entrichten. Nur wenn die Steuer vollständig bezahlt ist, gilt das Geschäft als rechtskräftig. Der Aufwand, eine derartige Regelung zu umgehen, wäre derart hoch, dass damit praktisch nicht zu rechnen ist.

Trotz all dieser positiven Entwicklungen bleiben aber immer noch Kritikpunkte. Neben der Höhe des Steuersatzes betrifft das vor allem die Verwendung der eingenommenen Mittel. Attac fordert, dass die Steuer eine explizite Steuer gegen Armut sein soll. Die daraus entstehenden Einnahmen sollen deshalb zu einem großen Teil für entsprechende Programme in diejenigen Länder des Südens fließen, wo die Armut am größten ist.

Bei den Vorschlägen von EU-Kommission und Parlament fehlt eine solche Mittelbindung hingegen. Sie wollen die zusätzlichen Einnahmen einfach zur freien Verfügung in den Haushalt einstellen.

Trotzdem muss die Finanztransaktionssteuer endlich eingeführt werden. Es ist überfällig, die Krisenverursacher angemessen an den Kosten zu beteiligen. Ihre Einführung wäre zwar dafür allein noch lange nicht ausreichend, aber wenigstens ein erster nennenswerter Schritt.

Stephan Lindner ist Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac. Der Kommentar erschien am Freitag, den 25. Mai in der Tageszeitung "Neues Deutschland".