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„Grüner Kapitalismus“ oder was? Gedanken zu einer sozial-ökologischen Industriepolitik

Der klimagerechte Umbau der Wirtschaft drängt. Wie ein klima- und sozial gerechtes Wirtschaften aussehen soll, haben wir in Attac grob umrissen: Es soll klima- und naturverträglich sowie ressourcenschonend sein, soziale Ungleichheit sowohl nicht nur in Deutschland, sondern weltweit deutlich verringern, auf regionales Wirtschaften setzen, geschlechtergerecht sei, die Macht privater Akteure und kapitalistischen Wachstumszwang brechen sowie unnütze Produktion runterfahren. Wie wir das erreichen ist allerdings eine ganz andere Frage. Dafür braucht es eine schlüssige industriepolitische Position als Teil einer „transormativen Realpolitik“.
Das Konzept „grüner Kapitalismus“ dominiert hierzulande die Diskussion über Transformationsstrategien. In dessen Mittelpunkt steht die Dekarbonisierung der Wirtschaft: Schädliche Emissionen sollen reduziert werden, um Klimaneutralität zu erreichen. Schnelle Dekarbonisierung ist unabdingbar, reicht aber nicht. Im „grünen Kapitalismus“ bleiben Eigentumsverhältnisse und Verfügungsgewalt in privater Hand, und Wachstumszwang und strukturelle globale Ungleichheit bleiben bestehen.

Doch auch „grüner Kapitalismus“ ist umkämpft. Fossilistische Industrien und ihre politischen Vertreter*innen wehren sich. Ihr Ziel ist ein vom Markt gesteuerter Energiemix, der neben erneuerbaren Energien auch  LNG- und Gasimporte sowie Atomkraft umfassen kann. Aktuell läuft es auf eine „halbierte grüne Transformation des Kapitalismus“ hinaus.

Erklärtes Ziel des „grünen Kapitalismus“ ist die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit oder sogar Technologieführerschaft Deutschlands beziehungsweise. Europas. Die systembedingte Konkurrenz zwischen den ökonomischen Blöcken (China, USA, EU u.a.) zwingt den Konkurrenten das auf und kann nicht weggeredet werden. Der Ausweg kann nur sein, einer globalen Neuordnung näherzukommen, die es vor allem Ländern des globalen Südens ermöglicht, aus Abhängigkeiten herauskommen. Die bisherigen deutschen „Klima- und Energiepartnerschaften“ haben dabei als Teil von Rohstoffsicherungsstrategien einen zu neokolonialen Anstrich. Zentral ist die Rolle des Staates. Inzwischen enthalten fast alle Beiträge aus unterschiedlichen Lagern die Mahnung, der Staat müsse sich mehr einmischen, verstärkt durch den „Inflation Reduction Act“ der US-Regierung und die massive staatliche Förderung Chinas in grüne Technologien. Mehr gesellschaftliche Kontrolle ist auch Grundkonens bei Attac. Fragt sich, wie und wofür? Welche wirtschaftlichen Sektoren sollten gefördert, welche geschrumpft werden?

Um Klimaneutralität zu erreichen, muss die industrielle Produktion dringend energetisch saniert werden. Große Umstellungen stehen beispielsweise in der Stahlindustrie beim Ersatz von Koks als Reduktionsmittel an. Diese Umstellung ist teuer und wird mit einigen Milliarden Euro öffentlich gefördert. Da die Kosten die mittelfristigen Gewinnmargen der beteiligten Konzerne übersteigen, scheint das – geknüpft an Standortsicherung und „gute Arbeit“  gerechtfertigt, zumal ein Abwandern der Industrie in Länder mit niedrigeren Umweltstandards das Problem nur verlagert.

Aber was ist mit den Produkten? Stahl ist ein wichtiger Rohstoff, geht aktuell aber in großen Mengen in die Produktion von Autoblechen. Mit einem Rückbau des PKW-Verkehrs können Kapaziäten in der Stahlindustrie reduziert oder anders genutzt werden. Das wirft Fragen auf: Wofür? Wer entscheidet unter welchen Kriterien, was nützliche und was schädliche Produkte sind? Was kann sich eine klimaneutrale Gesellschaft noch an Ressourcenverbrauch leisten? Dazu muss die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt aus den Händen privater Kapitalbesitzer in gesellschaftliche Hand übergehen.

Die Eingriffstiefe gesellschaftlicher Intervention reicht dabei von Regulierung oder Verboten über Marktmechanismen wie Co²-Bepreisung oder grüne Leitmärkte und gezielter finanzieller Förderung bis zur dirkten Einflußnahme durch Industriestiftungen oder vollständige Vergesellschaftung. Die demokratische Teilhabe kann in der Übergangsphase durch Transformationsräte erfolgen, in denen Interessen- und Bevölkerungsruppen angemessen vertreten sind.

Es wird Zeit, intensiver darüber zu reden. Wir dürfen die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt privater Kapitalbesitzer, die uns an den Rand des Klimakollapses gebracht hat, nicht länger hinnehmen. Auf der Sommerakademie in Marburg werden wir darüber beraten.

Achim Heier engagiert sich in der Projektgruppe sozial-ökologische Transformation und ist Mitglied im Koordinierungskreis von Attac.