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Scholz als Chef-Lobbyist der Autoindustrie

G20: Deutschland blockiert Gesamtkonzernsteuer

 

Mit dem Treffen der Finanzminister der G20 in Japan ist die Auseinandersetzung um die Zukunft der Unternehmensbesteuerung in eine neue Phase getreten. Erstmals steht der Systemwechsel  vom Verrechnungspreissystem zur Gesamtkonzernsteuer auf der Tagesordnung. Daneben tritt der Zoll-Konflikt zwischen China und den USA eher in den Hintergrund.

Doch ausgerechnet Deutschland in Gestalt von Finanzminister Olaf Scholz spielt in dieser Debatte eine traurige Rolle als Hauptgegner der Reform. Anstatt die Chancen zu erkennen, wenn endlich die internationalen Konzerne angemessene Steuern zahlen, die Verschiebung von Billionen-Gewinnen in Steueroasen gestoppt und der Steuersenkungswettbewerb beendet wird, spielt sich Scholz als Retter der Autoindustrie auf und verkauft das auch noch als nationales Interesse.

Worum es geht: Beim Verrechnungspreissystem wird jeder Betrieb einzeln besteuert. Deshalb können Konzerne ihre Gewinne in extra dazu gegründete Tochterfirmen in Steueroasen verschieben. Apple zum Beispiel versteuert große Teile seiner Gewinne auf der Insel Jersey mit einem Steuersatz von weniger als drei Prozent. Mit einer Gesamtkonzernsteuer würden dagegen die Gewinne des Gesamtkonzerns den Standorten nach Kriterien wie Investitionen, Beschäftigte und Umsatz zugeordnet und dort besteuert, wo die wirtschaftlichen Aktivitäten tatsächlich stattfinden.

Dass der Systemwechsel nun endlich Thema wird, hat mehrere Gründe: Zum einen hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erkannt, dass das Problem der Steueroasen anders nicht lösbar ist. Zum anderen spielen die sogenannten „immateriellen Vermögen“ (Userdaten, Kundenbeziehungen, Labels, Patente, Algorithmen, Rechte usw.) eine immer wichtigere Rolle. Mittlerweile sind unter den zehn größten Unternehmen der Welt fünf Digitalkonzerne (Google, Amazon, Apple, Facebook, Microsoft). Diese Plattformen saugen die Gewinne aus allen (!) Wirtschaftsbereichen ab - ohne selbst wesentlich zu produzieren. Hauptleidende dieser Entwicklung sind die Entwicklungs- und Schwellenländer. Aber letztlich leiden alle darunter, wenn der Steuerwettbewerb fortgesetzt wird.

Seit 2011 liegt bereits eine EU-Richtlinie für eine Vorstufe der Gesamtkonzernsteuer vor (die GKKB-Richtlinie). Seitdem wird die Richtlinie von den Steueroasen in der EU blockiert - entscheidend ist aber die Haltung von Deutschland. Die deutsche Autoindustrie fürchtet eine höhere Besteuerung in Indien und China.

Die Fronten in der G20 sind durch die vier vorliegenden Vorschläge deutlich erkennbar:

  • Indien, Indonesien und andere Entwicklungs- und Schwellenländer wollen eine Art Gesamtkonzernsteuer, damit die Konzerne auch bei ihnen Steuern zahlen. Ergänzend zum Konzept der EU sollen aber neben den drei Faktoren Investitionskapital, Personal und Umsatz nun auch die User kommen, da die Gewinne der Internetkonzerne zu erheblichen Teilen auf den von ihren Usern gesammelten Daten (Big Data) beruhen.

  • Die USA wollen die Gesamtkonzernsteuer nur auf Gewinne anwenden, die nicht mit hartem Investitionskapital (Fabriken) erwirtschaftet werden, sondern mit immateriellen Werten.

  • Großbritannien will nur die Gewinne der Digitalwirtschaft mit einer Gesamtkonzernsteuer auf die Länder aufteilen.

  • Deutschland und Frankreich dagegen wollen nur eine Mindestbesteuerung (die alle anderen Vorschläge auch enthalten). Scholz und sein französischer Amtskollege lehnen jede Gesamtkonzernsteuer ab und machen sich damit zu Handlangern der Steueroasen. Als Minister klassischer Industrieproduktionsländer sind sie bereit, die Steuervermeidung der Digitalkonzerne in Grenzen zu tolerieren, weil sie sich vor allem als politische Vertreter ihrer Auto- und Maschinenbaukonzerne verstehen. Auch das Industrieland China wird den Vorschlag von Deutschland und Frankreich vermutlich unterstützen.

Für Attac war und ist der Einsatz für eine Gesamtkonzernsteuer ein zentraler Teil des Kampfes um Steuergerechtigkeit. Karl-Martin Hentschel von der Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern: „Jetzt kommt es vor allem darauf an, den Finger in die Wunde legen und die deutsche Öffentlichkeit über die unselige Rolle der Bundesregierung zu informieren. Dass der deutsche Finanzminister allen Lippenbekenntnissen zu Trotz den Kampf gegen Steueroasen behindert, ist ein Skandal. Wir werden weiter Druck machen für eine echte Gesamtkonzernsteuer“.