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G7-Gipfel verweigert substantielle Konsequenzen aus der Asienkrise

"Neue Finanzarchitektur" offensichtlich nur noch Kosmetik

Auf dem Gipfel der G7/G8 Staats- und Regierungschef auf Okinawa/Japan wurde viel von der Reform des internationalen Finanzsystems ("Neue Finanzarchitektur") gesprochen. Eine grundlegende Reform jedoch, wie sie auch von offizieller Seite nach den Erfahrungen der Asienkrise in den letzten Jahren gefordert wurde, ist offensichtlich vom Tisch.

Die westlichen Regierungen, Banken und Unternehmen sehen offensichtlich keinen Handlungsbedarf mehr, da sie ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen nicht mehr bedroht sehen. Den Preis dafür zahlten bisher allein in Indonesien über 40 Millionen Menschen, deren Einkommen in Folge der Krise unter die absolute Armutsgrenze gerutscht sind. Aufgrund der mangelnde Bereitschaft der G7, substantielle Konsequenzen aus der Asienkrise zu ziehen, wird auch die nächsten Krise wieder auf dem Rücken der Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern ausgetragen werden.

Vor 2 Jahren kündigten u.a. auch die G7 an, die Finanzmärkte kritisch auf ihre Krisenanfälligkeit zu prüfen. Von dieser Zusage ist spätestens seit dem diesjährigen Gipfel nichts mehr übrig geblieben.

"Was die G7 heutzutage als 'neue Finanzarchitektur' bezeichnen, kann man nur noch als Kosmetik bezeichnen", urteilt Philipp Hersel, Finanzmarktexperte der Nichtregierungsorganisation BLUE 21 und Vertreter des Netzwerks zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte. Während man 1998 noch darüber nachdachte, kurzfristige spekulative Kapitalbewegungen mit Unterstützung der Industrieländer zu dämpfen, so ist heutzutage nur noch von Korrekturen in den Schwellenländern selbst die Rede. Die notwendige Reform des internationalen Rahmens der Finanzmärkte, inklusive einer Demokratisierung internationaler Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank, werden völlig ausgeblendet.

Das deutsche Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte, welches derzeit aus über 50 Organisationen und über 100 Einzelpersonen besteht, hält derweil an seinen grundlegenden Forderungen zur Reform der Finanzmärkte fest:

  • Verbot hochspekulativer Derivate und entsprechender Spekulations-Fonds ('Hedge-Fonds')
  • die Einführung einer Tobin-Steuer, um die Höhe und Geschwindigkeit der spekulativen Transaktionen auf den Devisenmärkte zu reduzieren und mehr Stabilität zu schaffen
  • keine zusätzliche Stärkung der ohnehin schon übermächtigen "institutionellen Anleger" (Investment- und Pensionsfonds) durch eine Privatisierung der Rentenversicherung.

Auch mit der Entschuldung der Entwicklungsländer durch die G7 ist das 'Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte' sehr unzufrieden. "Wir brauchen eine sofortige Schuldenstreichung, und nicht nur für die ärmsten Länder (HIPCs)", sagt Anja Osterhaus von Kairos Europa und ebenfalls Vertreterin des Netzwerks.

Skeptisch nimmt das Netzwerk die Stellungnahme der G7 zum Thema Steuerparadise und 'Off-Shore-Finanzzentren' (wie z.B. Liechtenstein, City of London, Kanalinseln, Bahamas) zur Kenntnis. "Off-Shore-Zentren haben nur eine einzige Funktion: sie dienen vermögenden Einzelpersonen, Banken und Unternehmen im großen Stile zur Steuerflucht und Steuerhinterziehung und ermöglichen das Waschen von Schwarzgeldern," so Philipp Hersel. "Sie gehören daher geschlossen". Die bisher von den G7 angekündigten politischen Schritte klingen vor diesem Hintergrund zum Teil halbherzig und lassen die großen Off-Shore-Finanzzentren in den G7-Ländern wie die City of London, die International-Banking-Facilities in den USA oder die Japanischen Off-Shore-Markets außen vor.

Aus Gründen der Steuergerechtigkeit wie auch der Finanzstabilität fordert das Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte daher, alle 'Off-Shore-Finanzzentren' den allgemeinen Standards für Bankenaufsicht und Bankgeheimnis der Bank für internationalen Zahlungsausgleich zu unterwerfen und Steuerflucht nicht länger hinzunehmen. Mittelfristig müssten auch diese Standards verschärft und die Transparenz erhöht werden, damit Börsen und Finanzmarktakteure endlich wirkungsvoller von einer kritischen Öffentlichkeit beobachtet und überwacht werden können.