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EU-Vertrag: Irisches Nein muss respektiert werden!

Auf dem derzeit in Brüssel stattfindenden EU-Gipfel hat der irische Ministerpräsident angekündigt, den zuvor abgelehnten EU-Reformvertrag (Vertrag von Lissabon) in einem zweiten Referendum erneut abstimmen zu lassen. Attac kritisiert dieses undemokratische Vorhaben scharf und fordert stattdessen einen Neuanfang für ein soziales und demokratisches Europa.

Dass Ministerpräsident Brian Cowen einknickt, ist das Ergebnis einer beispiellosen und zutiefst undemokratischen Druckkampagne der europäischen Staats- und Regierungschefs, die demokratische Entscheidungen offenbar nur respektieren, wenn sie in ihrem Sinne ausfallen. Nach dem "Nein" der Iren hatten mehrere europäische Staats- und Regierungschefs das Ausscheiden Irlands aus der Europäischen Union gefordert, andere hatten auf eine erneute Abstimmung gedrungen. Doch das Votum der irischen Bürgerinnen und Bürger muss respektiert werden. Alles andere würde die Demokratie in Europa zutiefst beschädigen.

Die irische Bevölkerung konnte als einzige in Europa über den EU-Vertrag abstimmen - in allen anderen Ländern sind Referenda gezielt verhindert und der Vertrag über die Köpfe der Menschen hinweg durchgedrückt worden. Der Inhalt des Vertrages wurde dabei schon vor drei Jahren in Volksabstimmungen in den Niederlanden und in Frankreich abgelehnt worden. 90 Prozent des jetzigen Vertrages sind deckungsgleich mit dem Entwurf zur Europäischen Verfassung. Das irische Nein hat aber der EU die Chance auf eine längst überfällige Kurskorrektur eröffnet - hin zu einem demokratischen, sozialen und friedlichen Europa. Diese Chance gilt es, endlich zu ergreifen. Nicht erst die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass ein 'Weiter so!' in die Katastrophe führt. Wer Europa will, muss Alternativen zur heutigen EU entwickeln.

Bereits im Frühjahr 2007 haben die Attac-Organisationen aus 15 EU-Ländern sowie der Schweiz "Zehn Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag" vorgelegt, die derzeit in einem europaweiten Prozess fortgeschrieben werden. Darin fordern die europäischen Attacs, in einem demokratischen und transparenten Prozess eine gemeinsame Grundlage der EU zu entwickeln. Transparenz, klare demokratische Spielregeln und Elemente direkter Demokratie müssen in der täglichen Praxis der EU selbstverständlich sein. Die EU darf nicht - wie im Vertrag von Lissabon - festgelegt werden auf eine bestimmte (neoliberale) Wirtschaftsform. Stattdessen gilt es, das Steuer-, Sozial-, Lohn- und Umweltdumping in eine Aufwärtsspirale zu wenden. Auch die Grundrechte müssen besser gewahrt werden. Nicht zuletzt muss für die EU eine Friedens- statt einer Aufrüstungspflicht gelten.

Heute wurde eine entsprechende gemeinsame Pressemitteilung veröffentlicht und bisher von Attac Deutschland, Attac Dänemark, Attac Flandern, Attac Griechenland, Attac Niederlande, Attac Österreich, Attac Polen, Attac Spanien.

 

Zusammenfassung der "Zehn Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag"

 

  1. Ein neuer Konvent muss demokratisch von den EU-Bürgerinnen und Bürgern gewählt und ein neuer Vertrag durch Referenda in allen Mitgliedsstaaten legitimiert werden.
  2. Das Europäische Parlament muss das Gesetzesvorschlags- und Mitentscheidungsrecht in allen Politikfeldern erhalten sowie das Recht, die Kommissionsmitglieder einzeln zu wählen und abzuwählen.
  3. Alle Sitzungen und Arbeitsgruppen des Rates und der ständigen Vertreterinnen und Vertreter müssen öffentlich sein. Lobbyisten, Mitglieder des Parlaments sowie der Kommission müssen ihre Finanzierung offen legen.
  4. Der Bevölkerung soll nicht nur ein Vorschlagsrecht für Gesetze und das Instrument des Volksbegehrens gegeben werden, sondern auch das Instrument des Volksentscheids.
  5. Die fortschrittlichsten Grundrechte müssen einklagbar verankert werden. Die EU muss der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten.
  6. Demokratische Errungenschaften müssen geschützt und ausgebaut werden. Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards müssen in Kooperation erhöht werden.
  7. Ein Vertrag darf kein bestimmtes Wirtschaftsmodell festlegen und muss auf allen Ebenen alternative Entscheidungen zulassen. Der "freie" Wettbewerb darf kein übergeordnetes Prinzip der EU sein.
  8. Ein Vertrag muss Ziele, nicht deren Mittel definieren: Ökologische Nachhaltigkeit muss den Binnenmarktfreiheiten übergeordnet werden. In der Geldpolitik ist Vollbeschäftigung wichtiger als "Preisstabilität". In der Verkehrspolitik ist nachhaltige Mobilität wichtiger als Autobahnen. In der Agrarpolitik sind kleinbäuerliche Strukturen und gesunde Lebensmittel wichtiger als "Produktivitätssteigerung".
  9. Das Steuer-, Sozial-, Lohn- und Umweltdumping muss in eine Aufwärtsspirale gewendet werden - durch ehrgeizige Mindeststandards, Korridore oder das Vorausgehen von Ländergruppen.
  10. Ein Vertrag muss eine Friedens- statt Aufrüstungspflicht festschreiben.