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Beitrag Heiner Geißler

Kommentar von Dr. Heiner Geißler

Kölner Express, 19. Februar 2008

Die amtliche und mediale Empörung über die Steuerhinterziehungen von Klaus Zumwinkel und Genossen sind in hohem Maße heuchlerisch und unglaubwürdig. Der SPD-Generalsekretär Heil spricht von neuen Asozialen und der Bundesfinanzminister Steinbrück von der Zerstörung unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Was auch immer der Minister sich darunter vorstellen mag, die Demokratie wird nicht durch Klaus Zumwinkel zum Einsturz gebracht. Sie wird aber schon seit Jahren massiv gefährdet durch die offensichtliche Unfähigkeit der westlichen Staaten und ihrer Finanzminister, in den globalen Finanzmarkt Ordnung hineinzubringen und die Profiteure des „global gambling“, die internationalen Spekulanten durch die Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen, wie z. B. auf den börsentäglichen Umsatz von 2 Billionen Dollar wirksam zu bekämpfen. Sie lassen sich steuerpolitisch von multinationalen Konzernen und Finanzinvestoren erpressen und gegeneinander ausspielen. Vor allem veranstalten sie ein Trauerspiel, wenn es darum geht, die Steueroasen zu schließen, ohne die Klaus Zumwinkel und Kompagnie ihre Straftaten in dieser Form gar nicht hätten begehen können. Finanz- und Außenminister sollten sich einmal dazu äußern, warum außenpolitisch nahezu jeder Streit mit den Ländern vermieden wurde, in denen sich diese Steueroasen befinden, also Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Kanalinseln, um nur wenige zu nennen. Statt dessen wurden in Deutschland, in der Hoffnung, potentielle Steuerflüchtlinge zu besänftigen, die Steuern auf Zinsen, Dividenden und Unternehmensgewinne gesenkt, während die Abgaben und Steuern für Arbeitnehmer und Konsumenten angehoben wurden. Maßnahmen der EU und der OECD gegen Steueroasen und unfaire Steuerpraktiken einzelner Länder wurden verwässert. Die Zinsrichtlinie der EU ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Die durch die Steuerflucht geschädigten Länder, zu denen vor allem Deutschland gehört, müssen sich endlich mit anderen betroffenen Staaten auf wirksame Sanktionen gegen die Steueroasenländer einigen und die Steuerfahndung personell verstärken. Innerhalb der EU sind Mindeststeuersätze und gemeinsame Standards für Steuerbemessungsgrundlagen notwendig. Solange aber alles beim alten bleibt, sollte man auf die Empörungsrhetorik besser verzichten.