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Langfassung

Attac-Aktionsplan zur Schließung von Steueroasen
(Langfassung; zur Kurzfassung; englische Fassung als PDF)

Seit den Zeiten des Völkerbundes wird international über das Problem der Steueroasen gesprochen. Durch die politisch gewollte Liberalisierung der Finanzmärkte insbesondere innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) hat sich das Problem der Steueroasen immer weiter verschärft. Basierend auf Angaben des Bundesfinanzministeriums wurden aus Deutschland ca. 300 Milliarden Euro von vermögenden Privatpersonen in die Steueroasen verbracht. Hinzu kommen die Schäden aus der buchhalterischen Verlagerung von Unternehmensgewinnen ins Ausland und dem internationalen Steuerwettbewerb um möglichst niedrige Steuersätze auf Kapitaleinkommen. Beide Problembereiche sind eng verknüpft, denn Privatpersonen können ihre Vermögen leicht in Kapitalgesellschaften verlagern, so dass sie den Regeln für Unternehmenssteuern unterliegen.

Wir schlagen ein Paket von inländischen und internationalen Maßnahmen vor. Mit den inländischen Maßnahmen werden Steuerflucht unattraktiv und SteuerhinterzieherInnen aufgespürt. Mit den internationalen Maßnahmen wird das Übel an der Wurzel gepackt und Steueroasen trockengelegt, so dass auch die bereits verlagerten Vermögen zu unserem Gemeinwesen beitragen.

 

Inländische Maßnahmen

Personaleinstellung in den Steuerbehörden
Nach arbeitgeberseitigen Personalbedarfsrechnungen werden benötigt: 3000 Betriebsprüfer, 300 Steuerfahnder sowie 2700 Mitarbeiter im Innendienst zur Einkommenssteuerveranlagung.

Bundessteuerverwaltung: Das Eintreiben von Steuern muss eine Bundeszuständigkeit werden
Die Kosten der Steuerverwaltung müssen heute von den Bundesländern getragen werden. Durch den Länderfinanzausgleich müssen die Erträge jedoch mit allen anderen Ländern geteilt werden. Damit sinkt für die Länder der Anreiz zu einer effizienten Steuerverwaltung. Daher muss eine Bundessteuerverwaltung verhindern, dass eine uneffektive oder ungleichmäßige Steuerverwaltung als Standortfaktor im Wettbewerb der Bundesländer missbraucht wird.

Lockerung des steuerlichen Bankgeheimnisses
Paragraf 30a der Abgabenordnung schränkt die Handlungsmöglichkeiten der Steuerfahndung übermäßig ein und schützt damit die Steuerhinterzieher. Die Abgabenordnung muss so verändert werden, dass Steuerbehörden von Banken und anderen Finanzdienstleistern Informationen über alle Geschäftsverkehre wie etwa Überweisungen mit Steueroasen verlangen können. So könnten zahlreiche Anhaltspunkte für Steuerflucht auch in der Vergangenheit gewonnen werden.

Verbot der strafbefreienden Selbstanzeige sowie Mindeststrafen bei Fällen schwerer Steuerhinterziehung
Steuerhinterziehung in Millionenhöhe muss immer zu einer Gefängnisstrafe führen, um die Abschreckungswirkung zu erhöhen. Abgesehen von Bagatellfällen muss die strafbefreiende Selbstanzeige abgeschafft werden.

Nutzung von Kreditkartendaten mit Steueroasenländern
Die australischen Steuerbehörden haben mit großem Erfolg Kreditkarten-Transaktionsdaten genutzt, um Steuerflüchtlingen auf die Schliche zu kommen. Die Steuerbehörden müssen von Kreditkartenunternehmen alle Transaktionsdaten mit Steueroasen ermitteln und zum Aufspüren von Bankkonten in Steueroasen nutzen.

Steuerliche Transparenz für transnationale Unternehmen
Deutsche Unternehmen, die Tochterfirmen oder Niederlassungen im Ausland unterhalten, müssen verpflichtet werden zu veröffentlichen,

  • in welchen Ländern sie Tochterfirmen oder Niederlassungen haben
  • und wie hoch die jeweils ausgewiesenen Gewinne und Ertragssteuern sind.

Dies ermöglicht Anlegern sowie der Öffentlichkeit, die Plausibilität der Angaben zu überprüfen.

Verstärkung der Quellenbesteuerung bei der Unternehmensbesteuerung
Um die Verschiebung von Unternehmensgewinnen aus Deutschland in Niedrigsteuergebiete unattraktiver zu machen, sollten die ertragsunabhängigen Komponenten der Gewerbesteuer gestärkt werden. Zinsen, Pachten und Leasingraten sollten die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer verbreitern, so dass die Steuer gleichmäßiger fließt, Steuervermeidung ins Ausland unattraktiver wird und die Steuersätze der Gewerbesteuer sinken können.

 

Internationale Maßnahmen

Maßnahmen gegen Steuerflucht nach Liechtenstein und andere Steueroasen außerhalb der Europäischen UnionSchwarze Liste der Steueroasen und Wirtschaftssanktionen
Steueroasen gehören auf eine staatlich geführte Schwarze Liste. Als Steueroasen gelten Länder, die

  • alle oder bestimmte Kapitaleinkommen niedrig oder überhaupt nicht besteuern und von deutschen Bürgern zur Vermeidung oder Hinterziehung von Steuern genutzt werden
  • und sich weigern
    • ein System automatischen Informationsaustauschs einzurichten, bei dem Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne sowie Beteiligungen an Unternehmen an die deutschen Finanzbehörden gemeldet werden, oder
    • Amtshilfe bei Steuerhinterziehung zu leisten.

Deutschland sollte mit den entsprechenden Ländern in bilaterale Verhandlungen treten, um einen automatischen Informationsaustausch und Amtshilfe in Steuerfragen zu vereinbaren. Die Schwarze Liste und die Maßnahmen sollten mit anderen handlungsbereiten Staaten koordiniert eingeführt werden. Sie eignen sich jedoch auch für einen nationalen Alleingang.

Die Steueroasen auf der Schwarzen Liste sollen mit geeigneten Wirtschaftssanktionen belegt werden, dazu zählen die Aufhebung handelspolitischer Vorteile, kein Betriebsausgabenabzug, die Einführung von Meldepflichten auf alle Transaktionen sowie die Einführung von Quellensteuern auf Zahlungen in Steueroasen.

Innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums kann sich Deutschland auf Artikel 43 (2) des EWR-Vertrags berufen. Sollten sich EWR-Steueroasen zur Klage gegen die Einschränkung des freien Kapitalverkehrs vor dem EuGH entscheiden, wäre ein solches Verfahren als Chance zu begreifen. Bei Nicht-EWR-Mitgliedern gibt es eine solche Klagemöglichkeit nicht.

Schließlich sollte Deutschland alle weiteren Kooperationsabkommen mit Steueroasen auf der Schwarzen Liste ablehnen. Insbesondere darf das Schengen-Abkommen mit Liechtenstein nicht unterzeichnet werden.

 

Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steueroasen innerhalb der Europäischen Union

Für Zinseinkommen von Privatpersonen hat die EU mit der Zinsrichtlinie das Prinzip des automatischen Informationsaustauschs in das internationale Recht eingeführt. Es wird seitdem von 24 EU-Staaten angewendet. Die Zinsrichtlinie ist jedoch unzulänglich. Sie muss in drei Richtungen erweitert werden:

  • Dividenden, Veräußerungsgewinne und Erträge innovativer Kapitalmarktprodukte wie Derivate müssen einbezogen werden.
  • Nicht nur Privatpersonen sondern auch Unternehmen, Trusts und Stiftungen müssen einbezogen werden.
  • Die Richtlinie muss für weitere Drittländer gelten (s. Maßnahmen Nicht-EU-Länder).

Um auch der weit verbreiteten Steuervermeidung und dem aggressivem Steuerwettbewerb bei Unternehmensgewinnen beizukommen, benötigt ein gemeinsamer Markt Mindestunternehmenssteuersätze - zum Beispiel 30 Prozent -, die auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage anzuwenden sind.

Da für diese Maßnahmen ein Konsens der EU-Mitglieder notwendig ist, muss die Bundesregierung Konfliktbereitschaft zeigen. Deutschland ist als großes Land und als größter Nettozahler einfussreich. Bei den nächsten Budgetverhandlungen der EU muss die Bundesregierung klar machen, dass Deutschland als größter Nettozahler nicht mehr zur Verfügung steht, solange die steuerlichen Harmonisierungsmaßnahmen und die Schließung der EU-Steueroasen nicht vorankommen. Ähnlich wie Regierungen für die Interessen von Bauern und Autokonzernen kämpfen, erwarten wir konsequenten Einsatz für die steuerlichen Grundlagen des Sozialstaats und gerechter Verteilung. Dabei geht es nicht um spezifisch deutsche Interessen, sondern um die Interessen aller, die über keine hohen Kapitaleinkünfte verfügen. Ebenso nützt die Schließung der europäischen Steueroasen den Entwicklungsländern, deren öffentliche Kassen durch Steueroasen jährlich mindestens 50 Mrd. US-Dollar verlieren.


Weitere Beschlussfassung

Parlament und Bundesregierung sind nun in der Pflicht, die notwendigen Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steueroasen zügig voranzubringen. Das Thema darf nach dem Abebben der medialen Aufmerksamkeit nicht wieder in einen Dornröschenschlaf versinken. Wir schlagen vor, dass

  • mehrere Bundestagsausschüsse eine Serie von Hearings zum Thema durchführen und
  • die Bundesregierung eine entsprechende Regierungskommission einsetzt.
  • Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind daran zu beteiligen.

Attac rät den Bürgerinnen und Bürgern, den Wahlkampf zur Europa- und Bundestagswahl 2009 nutzen, um einzufordern, dass konsequente Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung ergriffen werden.


Jüngste Maßnahmen der Bundesregierung

Anlässlich des Staatsbesuchs des Liechtensteiner Regierungschefs Otmar Hasler hat Bundeskanzlerin Angela Merkel von Liechtenstein eine Reihe von Maßnahmen gefordert. Die Konfliktbereitschaft der Bundesregierung und die geforderte Kooperationsbereitschaft bei internationalen Abkommen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Liechtenstein würde damit auf ein ähnliches steuerliches Regulierungsniveau gebracht wie andere EU-Länder.

Allerdings bringen die geforderten Kooperationsabkommen keine Lösung des Steuerhinterziehungsproblems. Das Betrugsbekämpfungsabkommen USA-Liechtenstein schließt Steuerhinterziehung aus. Die Vereinbarungen der USA zum Austausch steuerlicher Informationen mit Finanzdienstleistern in Liechtenstein beziehen sich nur auf US-Obligationen. Die Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie betrifft nicht einfache Steuerhinterziehung.

Die Anerkennung der OECD-Standards zu steuerlichem Informationsaustausch verpflichtet nur zu steuerlichem Informationsaustausch im Einzelfall, wenn die nationalen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wenn die Steuerbehörden jedoch nicht wissen, wer die Eigentümer der 300 Milliarden Euro Steueroasenvermögen aus Deutschland sind, nützt auch ein Informationsaustausch im Einzelfall wenig.

Die Globalisierung der Finanzmärkte braucht die Einführung eines internationalen automatischen Informationsaustauschs in Steuerfragen sowie internationale Steuern, damit die Schere zwischen Arm und Reich sich wieder schließt.