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Fragen und Antworten nach den Gipfelprotesten

Nach dem G20-Gipfel haben uns viele Fragen erreicht. Gefragt wurde häufig nach der Rolle von Attac in den Protesten, nach der Haltung von Attac zu den Ausschreitungen im Schanzenviertel und nach der Zusammensetzung der verschiedenen Bündnisse bei den Protesten. Hier haben wir die häufigsten Fragen und die Antworten darauf zusammengestellt.

Wie hat sich Attac in die Gipfelproteste eingebracht?

Die politische Bandbreite der Menschen und Organisationen, die die Politik der G20 kritisieren, ist sehr breit und war  in ihrer gesamten Breite in Hamburg vor Ort. Verschiedene Akteure engagierten sich auf unterschiedliche Art und Weise bei den Protesten. Attac hat sich im Dreiklang Alternativgipfel, mit Aktionen am Freitag sowohl im Bündnis BlockG20 als auch mit reinen Attac-Aktionen und bei der Großdemonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20" engagiert.

Wie stellt sich Attac zu den Ausschreitungen innerhalb der Protestwoche?

Attac hatte mit den sinnlosen Zerstörungen im Schanzenviertel nichts zu tun und lehnt sie ab. Es gibt einen klaren Konsens in unserem Netzwerk, dass von Attac-Aktivitäten keine Gewalt ausgeht. Das ist bei allen oben genannten Aktionen, in denen wir uns engagiert haben, gelungen. Die Bilder auf www.attac.de/g20 unter "Impressionen" zeigen, wie sehr sich unsere Aktionen unterscheiden von dem, was über die Geschehnisse im Schanzenviertel bekannt ist.

Habt Ihr Euch mit dieser Erklärung wirklich ausreichend distanziert?

Es ist nicht einleuchtend, warum sich Menschen überhaupt distanzieren sollen von Dingen, mit denen sie nichts zu tun haben. Wie wenig unsere Aktionsformen damit zu tun haben, wofür wir jetzt gelegentlich und durchaus auch gezielt verantwortlich gemacht werden, ist bekannt. Solche Vorwürfe, die Herstellung eines Zusammenhangs, sollen den Protest als Ganzen diskreditieren. Wir haben mehrfach unsere Haltung zu den Krawallen unmissverständlich formuliert. Es könnte fast der Eindruck entstehen, es ginge nicht darum, eine klare Haltung einzunehmen, sondern "abzuschwören": Der einzige Schritt, den wir noch unternehmen könnten, wäre, von uns aus auf jede Beteiligung an Protesten zu verzichten, sobald es denkbar ist, dass irgendjemand aus angeblich ähnlichen Motiven zur selben Zeit am selben Ort etwas Illegales tut – das werden wir natürlich nicht tun.

Warum kritisiert ihr trotz der Ausschreitungen das Verhalten der Polizei?

Diese Frage erreichte uns oft. Sie hat uns in ihrer Häufigkeit und Tendenz erschreckt. Viele Menschen sind der Meinung, dass man Übergriffe entschuldige, wenn man Kritik äußert an unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Einsätzen der Polizei oder Eingriffen in die Versammlungs- und Pressefreiheit. Doch diese Vorfälle hat es gegeben, und sie werden nicht weniger gravierend dadurch, dass im Schanzenviertel Autos gebrannt haben.

Eingeschlagene Scheiben, brennende Autos und Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit der Polizeibeamten lehnen wir ab – aber sie sind keine Gefährdung der Demokratie. Eine starke Demokratie wird mit zwei Nächten voller Ausschreitungen fertig. Das heißt nicht, dass wir das in Ordnung finden.
Die wiederholte und alltägliche Aushebelung von Grundrechten durch die Polizeiführung während der Protesttage dagegen, die weit vor den Ausschreitungen begannen und sich über die gesamte Protestwoche zogen, die teilweise brutale Unverhältnismäßigkeit vieler Polizeieinsätze ganz ohne zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang mit den Ausschreitungen, sollten aber alle Bürger_innen in Alarmbereitschaft versetzen.

Demokratische Verhältnisse sind uns ein zentrales Anliegen. Es ist erschreckend, dass offensichtlich nicht wenige Menschen der Meinung sind, dass die Forderung, die Polizei möge sich verfassungsgemäß verhalten, von den Umständen abhinge. Das widerspricht allen Grundregeln der Demokratie, denn Grundrechte sind keine Schönwetterrechte. Als Bürger_innen können wir ein verfassungsmäßiges Handeln der Exekutive erwarten, auch und gerade in Situationen, in denen es besonders darauf ankommt. Das kennzeichnet einen Rechtsstaat.

Zu sehen, wie weit tendenziell autoritäre Vorstellungen bis weit in linksliberale Kreise zu finden sind, ist uns Auftrag, uns in der nächsten Zeit verstärkt dem Thema Demokratie zu widmen. Diese gerät an immer mehr Stellen der Welt unter Druck – jetzt auch in Hamburg durch die politisch vorgegebene Strategie der Polizei, im Nachgang vor allem in Talkshows und  Kommentarspalten.

Warum begebt ihr euch auch in Bündnisse, an denen Akteure beteiligt sind, die als Schwarzer Block in Demonstrationen mitlaufen?

Unsere Vorstellung bei den Gipfelprotesten war von vornherein, mit allen gemeinsam zu demonstrieren, mit denen wir inhaltliche Berührungspunkte bei der Kritik an der G20 haben, und das gemeinsam zu tun überall dort, wo wir uns auf ein gemeinsames Aktionsbild einigen können, an das sich alle beteiligten Gruppen halten. Nur so kann deutlich gemacht werden, wie breit das Spektrum ist, in dem diese Politik auf Ablehnung stößt. Leider haben sich einige große Organisationen der Zivilgesellschaft sehr früh aus gemeinsamen Plänen verabschiedet – unter anderem genau, um nicht dem ausgesetzt zu sein, dem wir uns jetzt stellen müssen: In Sippenhaft genommen zu werden für Aktionen, an denen wir nicht beteiligt waren.

Wir halten diese Entscheidung  weiterhin für falsch. Die niedrigen Teilnehmerzahlen bei der „Protestwelle“ am 2. Juli zeigen, wie wichtig es für die Menschen war, ihre Proteste an den Tagen auf die Straße zu bringen, an denen die G20 als Adressaten in der Stadt sind. Gleichzeitig war es den Menschen ein Bedürfnis, das mit möglichst vielen aus der gesamten Bandbreite des Protests und nicht nur unter dem Dach einiger weniger Großorganisationen zu tun. Das ist am Samstag mit 76.000 Menschen bei der Großdemonstration eindrucksvoll gelungen.

Attac kann keinen Einfluss nehmen auf das Verhalten aller, die nach Hamburg gekommen sind, um zu protestieren. Attac kann Einfluss nehmen auf Aktionskonsense und Verabredungen mit allen beteiligten Organisationen bei gemeinsamen Aktionen: Alle Menschen sollen mitlaufen und sich wohl fühlen können, auch Familien mit Kindern, ältere oder körperlich eingeschränkte Menschen, Menschen aus verschiedenen Gruppen und Organisationen – und das ist gelungen.

Foto: Pay Numrich
Foto: Lidija Delovska