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Konzept für die Idee einer „Demokratischen Bank“

Diskussionspapier Attac Österreich

Stand März 2010

 

A) DEMOKRATISCHE BANK

 

Begründung

Die Liberalisierung des Marktes hat rundum versagt:

1. Profitorientierte und global aufgestellte Banken nehmen zunehmend Aufgaben wahr, welche

  • die Stabilität des Finanzsystems gefährden (Währungsspekulation, Kredithandel, Derivate-Entwicklung)

  • von der Allgemeinheit zu den Vermögenden umverteilen (Hochrendite-Fonds, maßlose Gehälter, Boni und Dividenden).

 

2. Gleichzeitig vernachlässigen sie die Grundfunktionen von Finanzmärkten/Banken:

  • Kreditklemme: Geld für die, die es dringend benötigen, ist zu teuer oder gar nicht verfügbar. Derzeit muss die Zentralbank „einspringen“.

  • Keine Garantie der Sparguthaben: Ohne staatliche Garantie wäre es zum Bankensturm und zum Totalzusammenbruch des Systems gekommen

  • Teurer oder gar kein Service: Die Kontoführungskosten und Bankomatgebühren steigen, die KundInnen werden zunehmend zum Kauf von Finanzprodukten gedrängt und in manchen Ländern (z. B. Großbritannien) gekündigt, wenn sie dies nicht tun

  • Ausdünnung der Versorgung: Durch Liberalisierung und Privatisierung wird das Angebot an Filialen ausgedünnt und eingeschränkt, z. B. der P. S. K., einer ehemals sehr beliebten Bank


3. Auch der Interbankenhandel ist zum Zusammenbruch gekommen, weshalb die Refinanzierung der Banken untereinander über den freien Markt keinen effizienten Mechanismus darstellt.


4. Im liberalisierten Markt tendieren Banken dazu, eine global wettbewerbsfähige Größe anstreben. Dadurch werden sie aber früher oder später „systemrelevant“ und können nicht mehr in Bankrott gehen. Das führt die Marktliberalisierung ad absurdum, weil die grundlegenden Marktgesetze nicht mehr angewandt werden können.


5. Durch das Auswachsen der Banken zu gigantischen Global Players wird ihre Macht so groß, dass sie sich erfolgreich gegen eine Regulierung im Sinne von Stabilität, Verteilungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit wehren und über Lobbyismus sich ihre Regeln selbst schaffen. Auf diese Weise werden sie zur Gefahr für die Demokratie und schaden dem Gemeinwesen und der Wirtschaft mehr als sie nützen.

Wir stellen dieser Entwicklung das Modell einer „Demokratischen Bank“ entgegen.

 

 

I. Name

Demokratische Bank

Spitzname: Good Bank


II. EigentümerIn

Die Bank befindet sich im Eigentum des demokratischen Souveräns.

Bis zur gesetzlichen Gründung der Demokratischen Bank mittels eines Referendums ist die Demokratische Bank eine private GenossInnenschaft und gehört den GenossInnen.


III. Ziele

Die Demokratische Bank ist dem Dienst an der Gesellschaft und somit dem Gemeinwohl verpflichtet.

Ziele sind die Förderung sozial und ökologisch nachhaltiger Entwicklung, Verteilungsgerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung, Geschlechtergerechtigkeit sowie regionale und kulturelle Vielfalt.

Insbesondere sollen die lokale Wirtschaft und kleine Unternehmen gefördert werden.

Die Demokratische Bank ist nicht gewinnorientiert.


IV. Leistungen

1. Kostenloses Giro-Konto für alle WohnsitzbürgerInnen.

2. Die unbeschränkte Garantie der Spareinlagen.

3. Kostengünstige Kredite für Privathaushalte und Unternehmen bei

  • ökonomischer Bonität

  • Schaffung von ökologischem und sozialem Mehrwert durch die Investition

4. Flächendeckendes Filialnetz, in Synergie mit (Demokratischer) Post, (Demokratischer) Bahn, öffentlichen Internet-Docks, …

5. Kostengünstige Kredite an den Staat (Abgeltung von Inflation und Transaktionskosten).

Diese Ziele und Leistungen sollen in der Verfassung festgeschrieben werden, damit sie nicht von einer Regierung mit einfacher Mehrheit geändert werden können. Idealerweise sollte die Demokratische Bank per Volksabstimmung legitimiert und ihre Ziele nur durch eine Volksabstimmung geändert werden können. (Es müsste sicher gestellt werden, dass keine EU- oder WTO-Gesetzgebung daran etwas ändern könnte.)


V. Sicherheitsregeln

Alle Geschäfte scheinen in der Bankbilanz auf, die Errichtung von Zweckgesellschaften ist untersagt.

Die Demokratische Bank darf kein Geld schöpfen (s. „Vollgeld“ nach Joseph Huber und James Robertson), ihre Rolle ist auf Geldvermittlung zwischen SparerInnen und KreditnehmerInnen beschränkt.

Die Bank muss Risiko minimierende gesetzliche Eigenkapitalvorschriften befolgen, sie darf jedoch nach dem bewährten Vertrauensprinzip des Hausbankensystems arbeiten und sich in Krisenzeiten eine antizyklische Kreditvergabepolitik vornehmen.

 

VI. Finanzierung

Die Bank finanziert sich über Kreditgebühren. Sie deckt damit ihre Kosten (inkl. Kreditausfälle) und strebt keinen Gewinn an.


VII. Gehälter

Die Menschen, die in der Demokratischen Bank arbeiten, genießen hohe soziale Sicherheit sowie umfassende Arbeits- und Mitbestimmungsrechte. Sie erhalten ein menschenwürdiges Einkommen, das mindestens um 50 Prozent oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegt. Die maximale Lohnspreizung innerhalb der Bank beträgt 1 : 5.


VIII. Zinsen und Inflationsabgeltung

Es gibt weder Kredit- noch Sparzinsen. Den SparerInnen wird jedoch die Inflation abgegolten. Die Inflationsabgeltung wird von den KreditnehmerInnen finanziert.

Die Bank betreibt Aufklärung, welche Folgen Zinsen im speziellen und Renditeansprüche des Kapitals im generellen systemisch und volkswirtschaftlich haben und bereitet die Gesellschaft auf das Ende arbeitsloser Kapitaleinkommen vor.


IX. Refinanzierung

Die Bank vergibt die Kredite aus den Einlagen von Privaten, Unternehmen und Staat. Da diese Finanzvermögen in Relation zur realen Wirtschaftsleistung (BIP) immer weiter wachsen, ist für ausreichendes Kreditkapital (Refinanzierung) gesorgt.

Für den Fall, dass in einer Gemeinde, Region oder einem Bundesland die Spareinlagen nicht ausreichen sollten, um alle sozial und ökologisch sinnvollen Kreditansuchen zu decken, kann es zur Umverteilung zwischen den lokalen/regionalen/landesweiten Demokratischen Banken kommen. Dieser darf seitens der GeberInnen-Banken eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Die Haftung für dieses Umverteilungsrisiko übernimmt die Zentralbank. Sie fungiert als „letzter Kreditgeber“ – wie zuletzt in der globalen Krise 2008.


X. Konkurs

Der Konkurs einer (kommunalen, regionalen oder größeren) Demokratischen Bank ist sehr unwahrscheinlich, da

  1. die Bank nicht gewinn- und damit schwach risikoorientiert ist

  2. die Geschäfte sich auf das „konservative“ Kreditgeschäft beschränken

  3. für die Kreditvergabe gesetzliche Sicherheitsregeln gelten

  4. die Vorstände persönlich haften, wenn sie die Gesetze nicht einhalten

  5. die Vorstände dem Souverän Rechenschaft ablegen müssen und jederzeit abgewählt werden können

Dennoch kann es im Ausnahmefall zum Konkurs kommen, falls eine hohe Zahl von Krediten gleichzeitig ausfällt. In diesem Fall verhindert die Zentralbank durch Rekapitalisierung den Konkurs. Die Demokratische Bank ist „too essential to fail“ gleich Schulen, Universitäten, der Bahn oder Krankenhäusern.


XI. Soziale und ökologische Kreditprüfung

Bei der Kreditvergabe soll die Kenntnis der lokalen Situation und der Wirtschaftsakteure eine Rolle spielen, nicht anonymes Rating.

Kreditansuchen werden nicht mehr ausschließlich auf ihre ökonomische Rentabilität geprüft, sondern auch auf ihren sozialen und ökologischen Mehrwert. Für diese Prüfung gibt es ebenso gesetzliche Richtlinien wie für die ökonomische Bonitätsprüfung.

Gleichzeitig wirkt die Demokratische Bank als ökosoziales Steuerungsinstrument eingesetzt: Investitionsvorhaben mit besonders hohem sozialen und ökologischen Mehrwert erhalten Kredite kostenlos oder sogar mit „negativem Zins“, d. h. sie müssen nicht die volle Kreditsumme zurückzahlen. Dagegen zahlen KreditnehmerInnen, deren Projekte nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen, eine höhere Kreditgebühr. Damit wirkt der Finanzmarkt endlich auch als Steuerungsinstrument für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung. „Ethisches Investieren“ wird zum gesetzlichen Standard. Projekte, die einen sozialen oder ökologischen Minderwert schaffen, erhalten gar keinen Kredit mehr, selbst wenn sie betriebswirtschaftlich rentabel wären.

Die Demokratische Bank muss diese verpflichtende ökologische und soziale Kreditprüfung sofort umsetzen, alle anderen (privaten) Banken in einem Übergangszeitraum von 10 Jahren.


XII. Ökosoziales Risikokapital

Börsen erfüllen heute die Grundfunktion, dass Projekte, deren Rentabilität noch ungewiss ist, in den Genuss von Finanzierung kommen können. Börsen und andere Segmente des Risikokapitalmarktes sind jedoch auf dem sozialen und ökologischen Auge blind. Die Risiko-Abteilung der Demokratischen Bank übernimmt diese Funktion ausschließlich für Innovationen mit sozialem und ökologischem Mehrwert. Jede Demokratische Bank kann einen kleinen Prozentsatz ihrer Spareinlagen/ihres Eigenkapitals als ökosoziales Risikokapital vergeben. Möglich wäre die demokratische Wahl einer Ethik- und Zukunfts-Kommission, die darüber entscheidet, welche Projekte mit Risikokapital ausgestattet werden.


XIII. Förderung von solidarischer Ökonomie

Die Demokratische Bank fördert solidarische Ökonomie und regionale Wirtschaftskreisläufe Eine oder mehrere Demokratische Banken können Komplementärwährungen auf lokaler oder regionaler Ebene ausgeben.


XIV. Subsidiarität, Demokratie, Kontrolle

Die Demokratische Bank ist subsidiär aufgebaut. Die große Mehrheit aller Kredite soll auf der Ebene 1, der kommunalen Ebene, vergeben werden. Die Demokratischen Banken entscheiden autonom.

Auf der Ebene 1 wird der Vorstand direktdemokratisch gewählt und vom ebenfalls direkt gewählten „Demokratischen Bankenrat“ aufgesehen. Der Demokratische Bankenrat besteht aus VertreterInnen der: Beschäftigten, KonsumentInnen, SchuldnerInnen, KMU-VertreterInnen sowie einer Gender-Beauftragten und einer Umwelt-und Zukunfts-AnwältIn.

Für größere Investitionen und Staatskredite gibt es die Landes- (2) und die Bundesebene (3). Die Landes- und Bundesebene werden durch die lokale Ebene anteilsmäßig mitfinanziert. Lokale Bankenleitungen wählen aus ihrer Mitte Vorstand und Aufsichtsrat der Landes- und gemeinsam mit dieser die Bundesebene.

Alle Entscheidungssitzungen aller Gremien der Demokratischen Bank sind öffentlich.

Alle gewählten VertreterInnen sind dem Souverän Rechenschaft schuldig und können von diesem jederzeit abgewählt werden.


XV. Transparenz

Die Transparenz ist neben der Mitbestimmung eine der zentralen Eigenschaften der Demokratischen Bank. Durch Transparenz entsteht Vertrauen. Die Bilanz sowie alle Kreditgeschäfte der Öffentlichen Bank sind jederzeit öffentlich einsehbar.

Die privaten Konten und Überweisungen unterliegen prinzipiell dem Datenschutz. Die steuerrelevanten Daten werden jedoch automatisch den Finanzämtern mitgeteilt (wie heute schon Arbeitseinkommen). Diese Regelung muss für alle Banken gelten, damit die Demokratische Bank keinen Wettbewerbsnachteil erleidet.


B) NEUE REGELN FÜR DEN GESAMTEN BANKENSEKTOR


XVI. Verhältnis zu Privatbanken

Um die Demokratische Bank keinem unfairen Wettbewerb auszusetzen, dürfen private Banken ebenfalls nur noch in nichtgewinnorientierten Rechtsformen wie Genossenschaften bestehen. Das Genossenschaftsbankengesetz muss dahingehend geändert werden, dass diese keine Gewinnrate oberhalb der Inflationsrate [plus einem Prozent] an die GenossInnen ausschütten dürfen und keinen Sparzins oberhalb der Inflation an die SparerInnen zahlen dürfen.

Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist für Banken untersagt. Banken, die das Kreditgeschäft betreiben, dürfen nicht gleichzeitig mit Wertpapieren und Finanzderivaten handeln.

Die Sparguthaben privater Banken werden nicht durch den Staat garantiert und sie kommen nicht in den Genuss der Refinanzierung durch die Zentralbank.


C) GLOBALE KOOPERATION DER DEMOKRATISIERTEN ZENTRALBANK

Die Zentralbank wird transparent und demokratisch neu organisiert. Der Gouverneursrat setzt sich aus VertreterInnen aus allen relevanten Gesellschaftsbereichen zusammen.

Die Zentralbank befindet sich als Teil des Demokratischen Bankensystems im Eigentum des Souveräns.

Die Zentralbank erhält das Geldschöpfungsmonopol.

Sie stellt dem Staat in begrenztem Ausmaß geschöpftes Geld zur Verfügung.


XVII. EZA-Abteilung

Die EZA-Abteilung des Demokratischen Bankensystems vergibt kostengünstige oder kostenlose Kredite im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Die Kosten dafür kommen aus dem allgemeinen Steuertopf oder aus einer gesetzlich begrenzten Geldschöpfung.

Die EZA-Abteilung übernimmt das Ausfallrisiko für riskante Exporte, die sozialen und ökologischen Mehrwert schaffen und einer nachhaltigen Entwicklung förderlich sind und eine diesbezügliche Prüfung bestanden haben. Die Finanzierung dafür kommt ebenfalls aus dem allgemeinen Steuertopf.

 

XVIII. Clearing

Die Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs erfolgt über Clearing-Stellen, die von den Zentralbanken eingerichtet werden. Private Clearingstellen werden untersagt. An den Clearingstellen wird die Finanztransaktionssteuer eingehoben.


XIX. Globale Währungskooperation

Die Zentralbank beteiligt sich an einer globalen Währungskooperation nach der Idee von John Maynard Keynes, die von der UN-Expertenkommission zur Lösung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise als „Idee, deren Zeit gekommen ist“, aufgegriffen wurde (Vorsitz: Joseph Stiglitz). Die wichtigsten Elemente dieser Währungskooperation sind:

  • Schaffung einer neutralen Verrechnungseinheit für den internationalen Handel: Weltreserve- oder Welthandelswährung

  • diese basiert auf einem Währungs- oder Rohstoffkorb

  • die nationalen Währungen bleiben bestehen

  • die Wechselkurse der nationalen Währungen zur „Weltreserve-“, „Welthandels-“ oder „Weltleitwährung“ werden in einem globalen Ausschuss der Zentralbanken festgelegt und gegen allfällige Spekulation verteidigt

  • bei Veränderung der realwirtschaftlichen Fundamentaldaten (Inflation, Produktivität, Leistungsbilanz) werden die nationalen Währungen gegenüber der Welthandelswährung entsprechend auf- oder abgewertet