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Ekkes Frank

Ekkes Frank ist Autor, Liedermacher und Kabarettist. Er ist Mitglied bei Attac seit Juni 2009.

"An dieser meiner Überzeugung: dass in einer Demokratie eine außerparlamentarische Opposition unverzichtbar ist, hat sich bis heute nichts geändert. Deshalb unterstütze ich Attac: eine der wichtigsten und effektivsten Organisationen bei der Verwirklichung dieser Ziele: Kontrolle dessen, was geschieht, in Politik und Gesellschaft, Entwicklung von Alternativen und deren Durchsetzung."

(Ekkes Frank)

 

Lullaby on APO

(von Ekkes Frank, geschrieben 1976)
 
Der Abend ist gelaufen, die Gitarre liegt im Sarg.
Ich hab mein Geld gekriegt und unterschreibe.
Dann geh ich zu dem Typ, der vorhin kam und mir erzählte,
er sei der, bei dem ich heut zum Pennen bleibe.
Er fährt voraus. Die Stadt ist tot.
Die einzige Ampel steht auf »Rot«.
Und dann sind wir auch schon am Ziel.
 
Wir stiefeln drei Etagen hoch. Das Treppenhaus ist kahl.
Ich weiß nicht: mir gefallen diese Altbaus.
Der Hans jedoch entschuldigt sich: es gäb halt keinen Lift,
und ohnehin, sie zögen hier ja bald aus.
Dann schließt er auf, wir gehen rein.
Da hör ich schon drei Kinder schrein:
Na endlich, komm, wir warten schon!

Mensch Opa, komm erzählt uns von der APO!
Erzähl uns, wie es ,68 war!
Wie ihr im Chor geschrieen habt: Gestapo!
He, Opa, du erzählst so wunderbar!
Das ist so spannend, Opalein, da schlafen auch bestimmt gleich ein
Und träumen... träumen...


Der Hans kann' wirklich gut erzählen. Man hat echt gespürt,
wie uns das damals alles aufgeregt hat.
Dazu kam, dass er Bänder aus den Jahren da besaß,
die er, wenn es grad passte, aufgelegt hat.
Ich sah mich wieder in Zwölferreih'n »Hohotschiminh« und ähnliches schrein,
vom Wasserwerfer nass bis auf die Haut.
 
Die Kinder hörten fasziniert und offnen Mundes zu,
was los war, als der Schah Berlin besuchte;
Und wie der Typ, der damals Benno Ohnesorg erschoss,
für sich nen Freispruch im Prozess verbuchte.
Und wie die Große Koalition nur hilflos schwafelte davon,
dass nicht sein darf, was nicht sein kann...
Vom Notstand haben wir erzählt, den damals man beschlossen;
und wie man am Gründonnerstag auf Dutschke hat geschossen;
wie Ostern dann im Western-Stil die Straßenschlachten tobten,
und Springers Klopapierbekritzler jeden Stockschlag lobten...
Und wenn wir mal zögerten, von neuem schockiert:
Mein Gott, ist das wirklich alles passiert?
dann schrieen die Kinder ungeduldig: Weiter!

Mensch Opa, komm erzähl uns von der APO...


Da hat der Hans mir zugeblinkt: die warten auf den Teufel!
Die werden vorher keine Ruhe geben.
Und er erzählt: da stand Fritz Teufel also vor Gericht,
und der Richter schnauzt, er solle sich erheben.
Da steht der Teufel auf und grient:
»Na, wenn’s der Wahrheitsfindung dient...«
Die Kinder lachen laut, wir lachen mit.
 
Doch kurz darauf verkündet lautes Schnarchen: Hans hat recht,
dass nun die Kinder wirklich eingepennt sind.
Der Hans schaut mich ganz melancholisch an und fragt mich leis:
ob wir jetzt selber das Establishment sind...?
Zehn Jahre sind doch keine Zeit - und doch, mein Gott, wie liegt das weit!
Und später, schon im Bett, hab ich gedacht:
 
Die APO ist gelaufen, die Geschichten sind Geschichte.
Die Kinder schlafen, weil sie schlafen sollen.
Doch einmal ist das auch vorbei: sie wachen wieder auf,
und dann werden sie so manches wissen wollen.
Das ist dann keine Nostalgie, wenn sie dann fragen, fragen sie
aus andern Gründen, beispielsweise so:

Mensch du, komm her, erzählt uns von der APO!
Was habt ihr falsch, was habt ihr gut gemacht?
Was euch der Vietcong war, ist für uns die SWAPO –
der gleiche Kampf ist's, nur ne andre Schlacht.
Von einer Jugend, die nur pennt,
kann jede Art Establishment nur träumen... nur träumen...