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"An institution that should always fight for progress and
reform, never tolerate injustice or corruption, always fight
demagogues of all parties, never belong to any party,
always oppose privileged classes and public plunderers,
never lack sympathy with the poor, always remain
devoted to the public welfare, never be satisfied with
merely printing news, always be drastically independent,
never be afraid to attack wrong, whether by predatory
plutocracy or predatory poverty."


- Joseph Pulitzer, May 10, 1883, in an editorial upon becoming
publisher of the New York World (reproduced on a bronze plaque
on the Times Tower, New York City)


Glückwunsch Attac

von Sonia Mikich

Am Anfang stand das Wort. Und das Wort war schön und gross und traf mitten in die Köpfe und Herzen.
1997 nur wenige Monat nachdem Spekulanten an den Börsen ein Finanz- und Wirtschaftskrise sondergleichen in Asien produziert hatten, erschien in der Zeitung Le Monde Diplomatique ein Leitartikel. Der Chefredakteur Ignacio Ramonet ergriff das Wort gegen die Finanzspekulanten:
Ich zitiere :

“Will man verhindern, dass die Welt sich im 21 Jahrhundert in einen Dschungel verwandelt, in dem die Räuber den Ton angeben, wird die Entwaffnung der Finanzmächte zur ersten Bürgerpflicht.”

Der Journalist rief auf zur Gründung einer “Action pour un taxe Tobin d``aide aux citoyens.” Zu deutsch Aktion für eine Tobin-Steuer als Bürgerhilfe, griffig und kurz: Attac.
Journalist plus Bürger = Widerstand. Das war einfach verführerisch.

Schon am Anfang waren Journalisten und Attac eng mit einander verbunden. Und diese Verbindung hielt weiter: Denn eine soziale Bewegung, über die Journalisten nicht berichten, bleibt unsichtbar. Und Journalisten, die ihre Augen und Ohren nicht ganz dicht an neuen Entwicklungen, neuen Fragen haben, sind unbrauchbar.

Ich erinnere mich sehr genau an meine erste Begegnung: da gab es 1999 am Rande von Paris eine Attac-Aktion gegen eine Gentechnik-Firma, die anscheinend irgendeinen Killer-Mais entwickelte. Ich drehte die Sache, einschliesslich Interview mit José Bové. Das Filmchen schaffte es in die 17hTagesschau, immerhin. Eine Premiere.

Wie ist die Entwicklung von Attac in Deutschland in den letzten fünf Jahren aus der Perspektive einer Journalistin zu beurteilen. Darüber möchte ich heute sprechen.

Nach dem Leitartikel von Ramonet dauerte es noch 3 Jahre, ehe in Deutschland die erste Attac-Gruppe gegründet wurde. Doch dann höchst erfolgreich: Mehr als 16.000 Mitglieder in fünf Jahren, unter ihnen Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Konstantin Wecker und die Gewerkschaften Verdi und GEW. Insgesamt ist Attac inzwischen in rund 200 Orten vertreten. Der Erfolg überrascht mich heute noch in einer Ära, in der ich den Niedergang der Mitgliederzahlen bei Gewerkschaften, bei Parteien beobachte, in der ich verstehen kann, warum so viele Menschen sich den Wahlen verweigern. In der Politikverdrossenheit zu einer bleiernen Begleiterscheinung geworden ist.

Der Grund ist ein Versprechen. So einfach und so schön: “Eine andere Welt ist möglich, eine bessere, eine gerechtere Welt.”
Attac hat es vermocht, sich das Copyright auf die letzte Vision unserer Zeit zu sichern. Und es klingt gar nicht nach Utopie, sondern nach common sense, nach etwas Machbaren, nach einem gesunden Reflex der Zivilgesellschaft gegen die vielen Mantras des Neoliberalismus. Dieser Idee eine Plattform gegeben zu haben, darf man schon jetzt als bleibenden Verdienst Attac anrechnen. Auch die Überzeugung, dass es für die grossen Probleme keine nationalstaatlichen Lösungen mehr gibt, dass wir transnational denken, handeln und leben werden, wird von Attac aufrechterhalten.

Anfangs empfand ich die Bewegung als eine Art Volkshochschule, die die Bürger über internationale Wirtschaftspolitik aufkläre n wollte. Der Reiz: die Argumente und die Argumentierenden wirkten undogmatisch und ehrlich. Mit einer großen Bereitwilligkeit, Komplexität anzuerkennen und für das Komplexe, Schwierige, Ambivalente in der Makroökonomie schlüssige Konzepte zu erarbeiten. Man sprach zu Recht von einer „ aktionsorientierten Bildungsbewegung“ mit dem Ziele einer „ökonomischen Alphabetisierung“. Die Ursprungsforderung war die Einführung der Tobinsteuer, es folgte die Schließung von Steueroasen und Off-Shore-Zentren.

Der Durchbruch kam im Juli 2001 mit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua. Attac wurde zum Begriff im Mainstream-Journalismus. Als in jenem Sommer Hunderttausende auf die Straße gingen, nahmen wir Attac nicht nur als Motor eines weltweiten Protestes wahr, schon interessant genug, wie die Mädels und Jungens es schafften, über das Internet sich global zu vernetzen… Nein, Attac war auch analytisch gut vorbereitet und setzte die Agenda und lieferte Erklärungen gleich dazu. Was hat die Privatisierung von Wasser mit Schuldenmachen zu tun, wie wirkt sich eine Krise des mexikanischen Finanzmarktes auf die Pensionsfonds in Grossbritannien aus? Wer wählt eigentlich wen in die Weltbank- und WTO-Spitze hinein und warum?
Die klaren Antworten von Attac nahmen Journalisten gerne auf, um den Lesern, Zuschauern, Zuhörern zu36 erklären, was die Bewegung eigentlichen wollte. Auch bei anderen transnationalen Aktionen (Weltsozialforum, Europäisches Sozialforum, G8 in Evian u.a.) diente Attac als relevanter Ansprechpartner.
Fazit: in wichtigen Teilen der Öffentlichkeit macht Attac „agenda setting“, schafft das Bewußtsein für komplexe globale Probleme und Zusammenhänge. Es gibt einen neuen gesellschaftlichen Druck, der nicht mehr übersehen werden kann. Es ist für die neoliberalen Globalisierer einfach mühsamer durchmarschieren zu wollen. Die verstorbene Zeitherausgeberin Marion Gräfin Dönhoff hat nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sich gesorgt: „Jetzt, da der Sozialismus am Ende ist: wer zivilisiert den Kapitalismus?“ Attac, alle globalisierungskritischen Bewegungen übernehmen jetzt diese Rolle, das kann gar nicht unterschätzt werden.

Aber, es wurde auch Zeit verschenkt.
Attac hat sich, meine Befürchtung und Kritik, in den letzten 5 Jahren zum Teil übernommen, verzettelt. Hat die Zeit nicht genutzt, um voranzukommen, zu reifen. Etwa die Forderung nach der Tobinsteuer voranzutreiben. Oder die Argumente für die geforderte Kontrolle der Finanzmärkte weiter zu entwickeln. Heute beackert die Bewegung fast das ganze Feld der innenpolitischen Debatten. Vielleicht zu ihrem eigenen Schaden.

Mit dem Anschlägen vom 11.9. und dem darauf folgenden Afghanistan-Krieg positionierte sich Attac auch in der Sicherheitspolitik und brachte sich aktiv in die Friedensbewegung ein.
Mit der Kampagne „Gesundheit ist keine Ware“ wandte sich Attac im Frühjahr 2002 erstmals einem klassischen sozialpolitischen Thema zu. Danach folgte die Kampagne im Zusammenhang mit der angekündigten Agenda 2010, im Frühjahr 2003 .
Im Rahmen der Kampagne „Genug für alle“ und teilweise in enger Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Sozialverbänden mobilisierte Attac gegen die geplanten Einschnitte in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Bei diesen innenpolitischen Themen (Gesundheits-, Renten-, Arbeitsmarktpolitik, Steuern) gab es in meiner Sicht nicht DIE Qualität von Analysen und Konzepten, die bei den klassischen Globalisierungsthemen so gezündet hatte. Attac drang bei uns Journalisten nicht mehr als Anstifter, als Agenda-Setter durch. Das ist vielleicht aus folgenden Aspekten abzuleiten:

Zum einen gibt es in der innenpolitischen Debatte mehr „Gegenspieler“ Da heisst es genauer, härter, noch unabhängiger zu argumentieren. Da heisst es: bloss keine Defizite, keine Fehler, keine Unklarheiten erlauben, denn leider ist irgendwo immer Wahlkampf.
WTO abschaffen oder reformieren? Ein prima Schlachtfeld. Aber Hartz 4? Da müssen die Waffen sehr, sehr präzise sein, um nicht unterzugehen.

Glauben Sie mir: als Auslandskorrespondentin in Moskau und Paris konnte ich ziemlich gnadenlos die innenpolitischen Zustände in meinen Berichtsgebieten kritisieren. Als Monitor-Chefin muss jedes Wort, jeder Film, jedes Anliegen immer der Realpolitik standhalten können. Jeder Fehler kommt 100fach zurück in Form von Beschwerden, e-mail-Attacken, Beleidigungen und Bedrohungen oder miesen Artikeln.


Ausserdem: Im innenpolitischen Diskurs etwa um den Abbau des Sozialstaates hat Attac einfach mehr Konkurrenz, mischen auch mehr „Gleichgesinnte“ mit. Wir Journalisten nehmen auch die Konzepte der Gewerkschaften, Sozialverbände oder Parteien zur Kenntnis. Mehr Gegenspieler, mehr Gleichgesinnte: da haben es die Vorschläge von Attac schwer.

Die Kampagnen gegen die Gesundheitspolitik der rot-grünen Bundesregierung 2002 und gegen die Hartz-Reformen 2004 blieben folgenlos. Dem Protest fehlten transnationale Sicht und genau jener Reiz der Mischung aus Kritik und Kreativität, der die Demonstrationen für eine breitere, linksliberale Öffentlichkeit attraktiv gemacht hätte.


Was erwarten kritische, engagierte, nicht-zynische Journalisten von einer sozialen Bewegung? Ich benutze jetzt einen Begriff aus meiner Jugend: Bewusstseinserweiterung. Das heisst: Sensibilisierung, Aufklärung, Kritik und Ausblick. Praktische Vernunft.

Das heisst: Sie bringen ein Thema in die Öffentlichkeit, Sie kritisieren die herrschende Politik und machen die Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten, nicht nur in Deutschland, kenntlich, Sie formulieren, möglichst nachvollziehbar, Alternativen.

Aber genau das vermisse ich. Früher konnte ich mir nicht leisten, Pressemitteilungen von Attac zu ignorieren, heute sagen sie mir viel und wenig zugleich, und es geht seltsam an mir vorbei.
Ein Beispiel: die Tobinsteuer. In meiner Sendung Monitor haben wir im Mai 2002 darüber berichtet, parteiisch, wenn man so will. Wir wurden intern durchaus kritisiert (Wie soll das denn gehen? Was hat das mit Innenpolitik zu tun?) Aber: das Thema war gesetzt. Mit grösstem Vergnügen las ich, dass Schröder und Chirac jüngst von Spekulationssteuern sprachen, dass einzelne europäische Parlamente dies und das zugunsten einer Tobin-Steuer verabschiedet haben etc.
Wo bleibt der Input von Attac zu diesem ureigenen Thema? Warum wird es nicht weitergetrieben? Wo bleibt die Lobbyarbeit der Subversiven?

Die Bevölkerung empfindet die neoliberale Globalisierung als ungerecht, das weiss ich aus meiner Arbeit. Sie finden die enormen Kapitalflüsse und Mega-Gewinne aus nicht-produktiver Arbeit unheimlich, wenn nicht irgendwie schändlich.
SIE haben mit der Tobin-Steuer ein grundsätzlich praktikables und spontan einsichtiges Konzept, warum mobilisieren Sie nicht weiter?

Ein zweites Beispiel: Monitor hat über das „blaue Gold“, den Rohstoff Wasser berichtet. Unsere Zuschauer haben – durchaus im Vagen und Ungefähren – den Wert erkannt, den der freie Zugang zu sauberen und ausreichenden Trinkwasser für die Menschheit bedeutet. Ausbeutung von Ressourcen, mangelnde Startchancen – das hatte ein Echo auch im hartz-4-gebeutelten Deutschland – wo führt Attac die Diskussion weiter?

5 Jahre Attac. Ich habe gelernt: die Globalisierung ist kein eindimensionales Geschehen, das sich pauschal ablehnen oder befürworten ließe. "Komplex" und "ambivalent" sind die Begriffe, die besser passen als "richtig" und "falsch". Wie halten wir Ambivalenzen aus? Was bedeutet eine „Risikogesellschaft“? Wie argumentieren wir transnational?
Vielleicht wäre es schlicht überzeugender, gute Fragen zu stellen – kreativ und laut. Wir brauchen einen Raum, um kollektiv darüber nachzudenken, was für Menschen wir sein und in welcher Welt wir leben wollen. Die marktverherrlichenden Konzepte der Neoliberalen überzeugen eine problembewusste Öffentlichkeit immer weniger, die Menschen gieren nach diesen ersten und letzten Fragen der Zivilgesellschaft.

Was tun? Sie und ich behaupten "Eine andere Welt ist möglich". Das kann man auf zweierlei Art deuten. Geht es darum, dass Sie beanspruchen zu wissen, welche Welt besser wäre? Oder geht es darum, darauf hinzuweisen, dass es immer anders möglich ist als gerade verwirklicht?
Zu Beginn von Attac mischten sich diese zwei Varianten, sie vermochten sich wechselseitig zu befruchten und zu regulieren. In jüngerer Zeit aber scheint die Bewegung sich in Selbstgerechtigkeit, also Variante eins, zu erschöpfen. Auf Kosten jenes kreativen, unbestimmt-alternativen Denkens in Möglichkeiten, das sich den Mondialisierungen fortlaufend und unvoreingenommen stellt. Dadurch geht aber die konstruktive Irritation verloren, die Attac ausmachte. Es war einfach lebendig, ja und anti-autoritär im besten Sinne, sich bei Attac zu engagieren. (Oder sich für Attac zu interessieren….)


Sie brauchen die Sympathie der Medien. Und unsereins braucht von Attac die regelmässige Dosis Ideologiekritik. Differenzierte Fragen, interessante Antworten, machbare Konzepte, praktische und unruhige Vernunft..

Wir haben ähnliche Aufgaben:
Auch kritische, engagierte Journalisten sehen sich als Anwalt der Bürger, als unabhängige Prüfer der Machtstrukturen. Keine Richter, aber Augenzeugen. Auch wir arbeiten für eine nicht zu unterschätzende Macht, nämlich die„united public opinion“. Auch wir wollen die Mächtigen in der Politik, Wirtschaft oder Kultur unter Legitimationsdruck setzen. Sie sollen sich äussern zu ihren Entscheidungen, Unterlassungen und Handlungen, sie sollen sich rechtfertigen. Sie sollen an ihre Versprechen von vorgestern erinnert werden. Auch wir haben nicht das Gedächtnis von Eintagsfliegen, und auch wir glauben nicht, dass der Mond aus Käse ist.

Auch wir finden es richtig zu zweifeln, wir ertragen Ambivalenzen, Grautöne, Widersprüche, wir misstrauen den hastigen Rezepten. (Monitor ist die Glaubwürdigkeit von morgen langfristig wichtiger als der atemlose Scoop von heute.)

Es gibt keinen interessanteren Platz als den des Störenfrieds. Das verbindet Attac und den kritischen Journalismus. Der Störenfried hat seine eigene Agenda. Er widerspricht dem Anliegen von Regierungen und Eliten und organisierten Gruppen, die Wirklichkeit in ihrem Sinne interpretieren zu lassen. Störenfriede sind ein Frühwarnsystem, sie wollen Impulse geben, nicht nur auf „events“ reagieren.

Um welche Werte geht es? Vage, aber sture Vorstellung von Anstand, Nachbarschaftlichkeit und Solidarität, bei uns zuhause und weltweit, weil andere uns ähnlich sind. Gönnen können. Sich für Schwächere einsetzen. Die Demokratie immer wieder zu demokratisieren
Es sind die Werte einer sympathischen Bürgergesellschaft im 21.Jahrhundert.

Es gibt für Resignation und Schlappheit keinen Grund: Die Arbeiterbewegung braucht hundert Jahre, um den Acht-Stunden-Tag durchzusetzen. Die Umweltbewegung immerhin 30 Jahre bis ihre Personen, aber auch ihre Programme „Mainstream“ wurden. Attac Deutschland ist erst Fünf, aber was für eine Wundertüte der Möglichkeiten.


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