Privatisierungsstrategien
Ziel der Konzerne ist die Übernahme von lokalen Versorgern als auch der Erwerb von
Wasserrechten. Dabei konzentriert sich das Angebot ihrer Dienstleistungen auf vier
Bereiche:
- Wasserversorgung (Infrastruktur und Verteilung)
- Trinkwasseraufbereitung; Abwasserbehandlung
- Bauten und Ingenieursleistungen (z.B. Dämme)
- Hochtechnologien (z.B. Entsalzungsanlagen)
Beim Angebot ihrer Dienstleistungen, stehen für die Unternehmen der Wasserversorgung
je nach Region unterschiedliche Interessensschwerpunkte im Vordergrund. In den
Industrienationen liegt der Fokus vor allem auf der Übernahme bisher kommunaler,
etablierter, gewinnversprechender Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssystemen.
In den Entwicklungsländern konzentriert sich das Betätigungsfels der Konzerne fast
ausschließlich auf die Trinkwasserversorgung in urbanen Gebiete, v.a. auf wohlhabendere
Wohngebiete in den riesigen Metropolen des Südens. (z.B. Jakarta, Manila, Buenos Aires...)
Da die Wasserversorgung ländlicher Gebiete (wo die meisten Menschen ohne Wasserzugang leben)
für private Anbieter unprofitabel ist, scheint in diesem Bereich kaum eine Verbesserung der
Situation in Sicht. Auch die Übernahme der Abwasserversorgung in den ärmeren Ländern,
erscheint bisher unattraktiv ("Rosinenpickerei").
Es ist zu beobachten, daß im Bereich der Wasserkonzerne eine enorme Vergrößerung und
Konzentration der Unternehmen im internationalen Rahmen stattfindet, als deren Folge
das Oligopol als Marktform eintritt: die Zahl der Wettbewerbsteilnehmer ist stark
reduziert, durch geschickt plazierte Beteiligungen werden andere Firmen kontrolliert,
auch ohne Aktienmehrheit. So waren Azurix und RWE z.B. der Markteinstieg nur durch
Partnerschaften mit den beiden größten Konzernen auf dem Wassermarkt möglich: Vivendi
und Suez.
Des weiteren ist ein starker Trend hin zur Diversifizierung der Unternehmensaktivitäten
in den Infrastrukturbereich zu beobachten: es findet eine aggressive Expansion in Bereiche
wie Abfallentsorgung, Baugewerbe, Transport, Energie und Kommunikation statt. Dieses
Vorgehen wird als Multi Utility bezeichnet: das Unternehmen ist somit in der Lage eine
ganze Palette von Infrastrukturdienstleistungen (Gas, Elektrizität, Wasser, Internet usw.)
aus einer Hand anzubieten und stellen sich damit gerne als Anbieter von Allroundlösungen
dar. Bei der Betrachtung der Geschäftspraktiken fällt auf, daß zur Eroberung neuer Märkte
gerne Allianzen eingegangen werden: Nachforschungen des ICIJ enthüllten, daß Thames Water
und Vivendi 1995 eine Allianz eingingen, um den asiatischen Markt zu erobern, Thames Water
und Suez teilten sich mit Unterstützung des Suharto-Regimes Jakarta.
Eine weiter Praktik ist das sogenannte "over-selling": Unternehmen bieten hierbei den
bestmöglichen Service zu auffallend niedrigeren Preisen an. ICIJ fand heraus, daß in
solchen Fällen die Regierungen häufig kurz vor der Privatisierung die Preise in die
Höhe treiben, um den neuen Anbietern darauf die Möglichkeit zur Preissenkung und damit
Einschmeichelung bei der Bevölkerung zu bieten. Wenn das Unternehmen erst mal den
Vertrag in der Tasche und die Preise gesenkt hat, beginnt es oft recht rasch mit dem
Versuch die finanziellen Bedingungen und die Auflagen des Vertrags neu zu verhandeln.
Die Tatsache, daß das Unternehmen den lokalen Wassermarkt schon kontrolliert, verhilft
ihm zu ungemein starken Position in den Verhandlungen. Im Fall Buenos Aires begann
Aguas Argentinas (Suez-kontrolliert) fast unmittelbar nach Vertragsabschluß die
Regierung unter Druck zu setzen, die Konzessionsbedingungen neu zu verhandeln.
Auch wenn sich private Anbieter gerne ihre Transparenz preisen und sich als Träger
des Lichts ins öffentliche Dunkel darstellen, ist in vielen Fällen genau das Gegenteil
beobachtet worden: es wird darauf bestanden, daß Teile oder gar der ganze Vertrag
geheim bleiben. Regulierungsbehörden stehen den Forderungen der Unternehmen oft
hilflos gegenüber, da sie keinen Zugang zu den Daten der Unternehmen haben.
Neben den schon erwähnten internationalen Finanzinstituten hat die Privatisierungsagenda
eine starke Lobby von Organisationen an ihrer Seite: Der 1996 von Weltbank und den
Vereinten Nationen gegründete World Water Conuncil (WWC)
ist der führende think tank in Wasserfragen und wichtigster Berater seiner
Gründungsorganisationen. Der Sitz des Council ist Marseille, eines der drei
Gründungsmitglieder ist René Coulomb, ein früherer Suez Vizepräsident; der
frühere IWF-Chef Michel Camdessus hat den Vorsitz im Finanzbeirat.
1998 schuf der WWC die World Commission on Water for the 21st century (WCW).
Ziel dieser Kommission ist die Schaffung eines öffentlichen Bewußtseins für
die Wasserthematik und die Formulierung globaler Wasserstrategien. Dazu werden im
Drei-Jahres-Rhythmus Weltwasserforen (WWF) abgehalten, das letzte 2003 in Kyoto, Japan.
Auch hier bestehen enge Verbindungen zur Wasserwirtschaft: Jérome Monod, früherer
Generaldirektor bei Suez, Enrique Iglesias, Präsident der Interamerikanischen
Entwicklungsbank und Mohamed T. El-Ashry Generaldirektor der Global Environment
Facility der Weltbank/ UN sind mit von der Partie. Vorsitzender ist Ismail Serageldin,
Vizepräsident der Weltbank. Nach Einschätzung von PSI (Public Services International)
ist die Kommission "deutlich einer Förderung der multinationalen Wasserversorger
zugeneigt."
Eine weiteres Forum für Wasserprivatisierung ist die Global Water Partnership (GWP),
eine Vereinigung, die die Zusammenarbeit zwischen privaten Versorgern und
öffentlichen Instanzen fördert. Das Bündnis wurde 1996 von Regierungen und
Vertretern privater Anbieter gegründet. Auch hier bestehen wiederum
enge personelle Verbindungen: Margaret Catley-Carlson ist sowohl Vorsitzende
des GWP steering commitee, als auch des Suez Water Resources Advisory Commitee.
In ihrem 2002 veröffentlichten Handbuch ("le cadre d'action ou la tool box")
zur Verwaltung der Wasservorräte empfiehl die GWP nachdrücklich eine weitere
Liberalisierung des Wassersektors. Außerdem dringt sie auf mehr Transparenz
in der Vergabe von Wasserverträgen bei Regierungen, Handelsvereinfachungen
für den Privatsektor, Privatisierung bzw. PPP, Abschaffung jeder Subvention,
die die Preise und den Handel verfälschen, eine Regulierungsbehörde für Streitfälle,
den Schutz der Eigentumsrechte auf Wasservorräte und Maßnahmen, die ein stabiles
und vorhersehbares Investitionsklima schaffen. (Quelle: Wasser wahren statt
Wasser Ware, www.spiritaner.de)
Im Geflecht der Lobbyorganisationen sollte die Rolle der EU auf keinen Fall
unberücksichtigt bleiben, die ihren Schützlingen den bestmöglichen Zugang
zum Weltmarkt garantieren möchte und schon zu Beginn der neuen GATS-Runde
für die Aufnahme der Wasserversorgung in den Sektor Umweltdinestleistungen
plädierte. Ein bekanntgewordener E-Mail-Wechsel zwischen der Brüsseler
Generaldirektion Handel und den größten Wasserkonzernen Europas
(vivendi, Suez, Thames Water, Aquamundo) zeigt wie intensiv das
Bemühen der EU um das Wohl ihrer Wassermultis ist. Am 17.5.2002 fand ein
Treffen der Kommission mit den genannten Multi statt, um "die Hürden beim
Zugang auf neue Märkte" und die Belange der Konzerne zu besprechen
(E-mail an AuquaMundo vom 2.5.2002). Wie ein E-Mail an Thames Water
zeigt folgte auf das Treffen ein Fragebogen, in dem die Konzerne gebeten
wurden, "die Vielfalt regulatorischer Maßnahmen" zu nennen,
"die den Marktzugang beschränken". Früchte dieser Zusammenarbeit
sind die Forderungen der EU an 72 Staaten (darunter 14 LDCs) zur
radikalen Öffnung ihrer Wassermärkte.
Aber auch die Bundesregierung zeigt gesteigertes Interesse daran,
deutschen Firmen den Zugang zum internationalen Wassermarkt zu garantieren.
In einem BMWi-Gutachten von 2001 drückt das Ministerium seine Besorgnis
über die stetig wachsenden Marktaneile der französischen und britischen
Wassermultis aus und stellt fest, "daß die Chancen der Anbieter im
internationalen Wassermarkt entscheidend von der Größe und der Finanzkraft
der Unternehmen abhängen." Auch die rot-grüne Regierung war sich über die
Notwendigkeit der Eroberung des internationalen Wassermarktes einig und
forderte in einem gemeinsamen Antrag im Oktober 2001 "die Schaffung
größerer, auch international handlungsfähiger Betriebseinheiten."
Das nächste größere Hindernis dieser Exportoffensive war die Öffnung der
Zielmärkte, die u.a. durch staatliches Engagement, lokale Auflagen und
Umweltstandards geschützt sind. Und an eben dieser Stelle ist auch das
GATS für die Bundesregierung von Interesse.
Beim Weltwasserforum 2003 in Kyoto fand eine kleine Trendwende im Auftreten
der Wasserkonzerne statt: sie präsentierten sich weitaus weniger
aggressiv und kündigten an ihr Engagement in den Entwicklungsländern
zu reduzieren. Die Gründe liegen auf der Hand: die Geschäfte dort gelten
allgemein als wenig profitabel und riskant, die lohnensten Städte sind
bereits vergeben (Suez: no more profitable objects left). Hier werden
erste Spannungen zur Weltbank deutlich, die sich mit der Kritik der Konzerne
auseinandersetzen muß, mehr Engagement der Konzerne im Süden zu projektieren
als reell geplant sei. Darüber hinaus befinden sich Weltbank und GWP in
einer mißlichen Lage, da die von ihnen propagierte Politik nicht die
erwünschten Ergebnisse bringt. Auch die weltweiten Proteste
privatisierungskritischer Bewegungen, NGO´s und Gewerkschaften trugen
ihren Teil zur eher nachdenklichen Stimmung auf dem WWF bei.
Eine Entwarnung sollte dies aber nicht sein. Nach Einschätzungen David
Halls (Direktor der Forschungsabteilung von PSI) können es sich die
Konzerne durchaus leisten zurückhaltend aufzutreten , da sowieso
"kein Weg an ihnen vorbeiführe" und die großen Geschäfte stets von
derselben kleinen Vierergruppe ausgehandelt bzw. ihnen angetragen
werden. Im Moment schon lassen sich die Multis in Afrika die meisten
ihrer Vorhaben von der Weltbank finanzieren, um kein eigenes Kapital
zu investieren.
Quellen:
- Thomas Fritz/WEED: Die letzte Grenze, Berlin 2003
- Wasser wahren statt Wasser Ware, www.spiritaner.de
- Uwe Hörig: Die Rolle der Weltbank im Wassersektor, Rundbrief Forum U&E 1/2003
- Cholera and the age of the water barons, The Center for Public Integrity, Februar 2003
- Corporate Europe Observatory (CEO), Water Infobrief #1
- Swisscoalition
- Vortrag von David Hall am 29.4. bei der AG Wasser
- Uwe Hörig: Wasser für alle, Südwind-Magazin 2/2003
- CEO, Water Infobrief #3
Rückfragen an Susi gats-kampagne@attac-netzwerk.de
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