Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14. Februar 2003. Ihre Besorgnis
bezüglich der Marktöffnungen im Allgemeinen Übereinkommen
über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) teile ich. Dies
gilt nicht nur für Liberalisierungen in den Bereichen, die
die öffentliche Daseinsvorsorge berühren, wie Wasserwirtschaft,
Gesundheitswesen oder Bildung und Wissenschaft, sondern auch das
Bauwesen, unternehmensnahe Dienstleistungen oder Umweltdienstleistungen.
Aufgrund des komplizierten Verhandlungsverfahrens im GATS erscheint
es bedenklich, ohne die von der Enquete-Kommision empfohlene Flexibilität
des Abkommens und ohne Folgenabschätzungen vor Übernahme
weiterer Verpflichtungen, Entscheidungen auf EU-Ebene festzulegen.
Besonders der angestrebte Zeitrahmen, offenbar mit dem Ziel in Genf
schon EU-Vorschläge in die Verhandlungen einzubeziehen, schließt
eine angemessene Befassung der Parlamente und auch der Zivilgesellschaft
weitgehend aus.
Diese Besorgnis, verbunden mit der Forderung Bildung und Kultur
aus den GATS- Verhandlungen auszunehmen, wird im Antrag der Regierungs-Koalition
(Bundestags-Drucksache 15/224 "GATS-Verhandlungen - Bildung
als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern")
zum Ausdruck gebracht. In diesem Antrag werden explizit die Erkenntnisse
und Empfehlungen des in Ihrem Schreiben erwähnten Abschlussberichts
der Enquete-Kommision "Globalisierung der Weltwirtschaft -
Herausforderungen und Antworten" (BT-Drs. 14/9200) aufgegriffen.
Hier gibt es also schon die in Ihrem Schreiben geforderte Debatte
und Beschlussfassung des Bundestages. Weitere Initiativen sind geplant
und werden in der von der SPD-Fraktion eingerichteten Arbeitsgruppe
Weltwirtschaft und Globalisierung vorbereitet.
Wie Ihnen bekannt ist, hat die SPD-Bundestagsfraktion schon im
Jahre 2000 mit einer fraktions- und koalitionsinternen Anhörung
von Experten aus NGOs, Gewerkschaften, Kirchen und Regierung die
GATS-Problematik aufgegriffen. Die Ergebnisse dieser Anhörung
führten dazu, dass die SPD in der Enquete-Kommission darauf
gedrungen hat, das Thema GATS - gegen massiven Widerstand der großen
Oppositionspartei - zu behandeln, Gutachten einzuholen, intensiv
mit Sachverständigen zu diskutieren und schließlich Empfehlungen
auszusprechen.
Nach dem Neuzuschnitt des zuständigen Ressorts und der entsprechenden
Parlamentsgremien sind unsererseits bereits Gespräche zu den
GATS- Verhandlungspositionen geführt worden. Hier ging es unter
anderem um die rechtzeitige Information des Parlaments.
An dieser Stelle darf ich noch einmal betonen, wie sehr die kritische
und konstruktive Begleitung der parlamentarischen Arbeit uns hilft,
unterschiedliche Positionen in unserer Gesellschaft zu wichtigen
Themen wie GATS abzugleichen, nachzufragen, zu diskutieren und mit
der Sensibilisierung für Probleme und erweiterten Kenntnisstand
die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.
Mit freundlichem Gruß
Bernd Scheelen Mdb
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