GATS-Briefaktion - Sascha Raabe, SPD

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Berlin, am 20. März 2003


GATS-Verhandlungen / Ihr Schreiben vom 14. Januar 2003

 

Sehr geehrter Herr Fritz,

im Januar haben wir uns bereits in einem Gespräch gemeinsam mit dem SPDBundestagsabgeordneten Ernst Ulrich von Weizsäcker zum Thema GATS auseinandergesetzt. Ich stellte dabei fest, dass unsere Einschätzungen sehr nahe beieinander liegen.

Inzwischen haben wir mehrere Bundestagsanträge eingebracht, die Ihnen sicherlich schon bekannt sind. Darüber hinaus füge ich diesem Schreiben eine Pressemitteilung unserer Entwicklungsministerin vom 13. März 2003 mit bei, die Sie vielleicht auch schon kennen.

Darüber hinaus möchte Ihnen noch einen WTO-Agrarantrag und meine zu Protokoll gegebene Rede zur Kenntnis geben. Dieser Antrag wird in den kommenden Wochen erneut im Bundestag debattiert und verabschiedet werden.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Sascha Raabe


Anlagen:

Pressemitteilung vorn 14.03.2003
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Wieczorek-Zeul: "Die GATS-Verhandlungen müssen transparent geführt werden"
"Die Verhandlungen über die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen müssen transparent gestaltet werden", betonte Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul. Nur wenn über die Verhandlungen und deren mögliche Konsequenzen öffentlich diskutiert werde, könne sichergestellt werden, dass die Entscheidungen nicht von wenigen Experten im stillen Kämmerlein gefällt werden. "Die Globalisierung muss gerecht gestaltet werden, und dafür setze ich mich ein", sagte die Ministerin. "Das bedeutet, dass die Entwicklungsländer mit einer starken und gleichberechtigten Position in den GATS-Verhandlungen gehört und berücksichtigt werden müssen."

"Transparenz über den Verhandlungsprozess ist auch wichtig, damit die Entwicklungsländer nicht unter Druck gesetzt werden.", hob die Ministerin hervor. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstütze die Entwicklungsländer dabei, ihre wirtschaftliche Situation zu analysieren und eine starke Verhandlungsposition aufzubauen, betonte die Ministerin. Für handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit habe das Ministerium für die Jahre 2002 und 2003 mehr als neun Millionen Euro zugesagt, sagte die Ministerin.

"Wichtig ist es, in den Verhandlungen immer ein Ziel zu verfolgen: Alle handelspolitischen Regelungen müssen mit der Strategie zur Bekämpfung der weltweiten Armut verbunden werden", betonte Wieczorek-Zeul. 'Deshalb müsse jede einzelne Forderung an die Entwicklungsländer genau geprüft werden, ob sie zur Bekämpfung der Armut beitrage. "Die bisher erhobenen Forderungen seitens der EU an die Entwicklungsländer sind teilweise sehr weitreichend. Auch wir würden nicht allen Entwicklungsländern raten, diese Forderungen komplett umzusetzcn", hob die Ministerin hervor. Gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen sei Vorsicht geboten. "Denn Liberalisierung ist kein Selbstzweck." Aber wichtig sei auch darauf hinzuweisen, dass das GATS von den Ländern explizit nicht die Privatisierung von Dienstleistungen verlange.

Die Ministerin betonte, dass es Entwicklungsländer gebe, die durchaus Interesse daran hätten, in städtischen Regionen die Infrastruktur und Wasserversorgung von privaten Dienstleistern aufbauen zu lassen. Das setze aber "strategische Partnerschaften" zwischen den Unternehmen, der Entwicklungszusammenarbeit und den betroffenen Ländern voraus, damit die Armen eine kostengünstige Wasserversorgung erhielten. Dies entspreche den Beschlüssen vom Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg aus dem Jahr 2002. Anders sei die notwendige Infrastruktur im Bereich der Wasserversorgung und der Basissanitätsdienste gar nicht zu finanzieren. Jedes Jahr fehlten dafür 100 Milliarden Dollar, sagte die Ministerin. "Wenn wir verhindern wollen, dass täglich weltweit 6000 Kinder unter fünf Jahren sterben, weil sie durch verschmutztes Wasser schwer krank wurden, dann müssen wir alle finanziellen Mittel in einer strategischen Partnerschaft auch mit Wasserversorgungsunternehmen mobilisieren", hob Wieczorek-Zeul hervor.

Das GATS trat am 1.1.19.95 als Ergebnis der Uruguay-Verhandlungsrunde in Kraft. Bis zum 30. Juni 2002 wurden an die 109 Staaten, die der Welthandelsorganisation angehören, Forderungen gestellt, welche Bereiche . des Handels mit Dienstleistungen liberalisiert werden sollen. Bis zum 31.3.2003 sollen die WTO-Mitgliedsländer wiederum ihre Angebote vorlegen, welche Bereiche sie liberalisieren wollen. Über die Forderungen und Angebote wird dann verhandelt, so auf der WTO-Ministerkonferenz in Cancun vom 10. bis 14. September 2003. Abgeschlossen werden sollen die Verhandlungen zum 1.1.2005.


12.03.2003
Antrag
der Abgeordneten Reinhold Hemker, Dr. Sascha-Raabe, Matthias Weisheit, Sören Bartol, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Martin Dörmann, Gustav Herzog, Gabriele Hitler-Ohm, Lothar Mark, Michael Müller (Düsseldorf), Holger Ortel, Dr. Wilhelm Priesmeier, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Reinhard Schultz (Everswinkel), Jella Teuchner, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Manfred Helmut Zöllmer, Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Friedrich Ostendorff, Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, Dr. Reinhard Loske, Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 15/550

Für eine nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessenausgleich bei den laufenden WTO-Verhandlungen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Beschlüsse der 4. WTO-Ministerratstagung vom November 2001 in Doha sehen vor, dass bis zum 31. März 2003 die Modalitäten für ein neues WTOAgrarübereinkommen festgelegt werden. Der Vorsitzende des WTO-Agrarausschusses hat am 12. Februar 2003 den Entwurf eines Modalitätenpapiers vorgestellt, auf dessen Basis sich die WTO-Mitgliedsländer bis zur nächsten Ministerratstagung im September 2003 in Cancun auf ein neues Agrarübereinkommen verständigen sollen. Dabei stehen drei zentrale Instrumente bisheriger Marktregulierung im Agrarbereich zur Disposition: Die interne Stützung, die Exportsubventionen und der Außenschutz (Zölle).

Der Allgemeine Rat der EU hat am 27. Januar 2003 einstimmig einen EU-Verhandlungsvorschlag für die WTO-Agrarverhandlungen beschlossen, der auf dem Grundsatz einer nachhaltigen Entwicklung im Agrarbereich weltweit basiert. Die Bundesregierung unterstützt den EU-Verhandlungsvorschlag ausdrücklich, da er das Ziel der Handelsliberalisierung in einem ausgewogenen Verhältnis zu den jeweiligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen der WTO-Mitgliedsländer sieht.

Im Rahmen der "Uruguay"-Runde wurden erstmals Agrarhandelsfragen in das multilaterale Handelssystem der WTO integriert und der Abbau der Agrarstützung, der Zölle sowie der Exportförderung bereits eingeleitet. Demzufolge hat sich in der vergangenen Dekade der Weltmarktanteil von Agrarprodukten aus der Europäischen Union verringert. Mit über 60 Mrd. Euro ist die Europäische Union jedoch weiterhin der weltgrößte Agrarimporteur. Heute werden von der EU mehr Güter aus den Entwicklungsländern importiert als von den USA, Japan, Canada, Australien und Neuseeland zusammen.

Gleichzeitig führte die Liberalisierung in vielen Entwicklungsländern zu einer starken Zunahme von Lebensmittelimporten, verbunden mit einer Verdrängung kleinbäuerlicher Strukturen und mit negativen Auswirkungen auf die Lebensmittelverarbeitung in diesen Ländern. Dem standen deutlich geringere Liberalisierungsgewinne durch verbesserten Marktzugang entgegen als erhofft. Insofern ist in Bezug auf die ärmsten Länder eine neue Strategie gefragt, die eine bessere Verteilung der Handelsgewinne zugunsten der am stärksten benachteiligten Regionen und Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsländern gewährleistet sowie Regeln aushandelt, mit denen Dumpingmethoden verboten und ein Konzept der Nahrungsmittelsicherheit gefördert wird.

Das bisherige Agrarabkommen wird den besonderen Problemen vieler Entwicklungsländer, dem Ziel der Hungerbekämpfung, der Umsetzung des Rechts auf Nahrung und einer Entwicklungsperspektive für Kleinbauern nicht gerecht. Nach wie vor haben mehr als 800 Millionen Menschen nicht genug zu essen, obwohl genug Nahrungsmittel angebaut werden, um doppelt so viele Menschen ernähren zu können wie heute auf der Welt leben. Daher muss die laufende Welthandelsrunde ("Doha"-Runde) zu einer "Entwicklungsrunde" werden, die zu einer besseren Integration der Entwicklungsländer in' die Weltwirtschaft führt und ihren Bedürfnissen in besonderer Weise Rechnung trägt.

Der Deutsche Bundestag betont die Bedeutung der WTO-Agrarverhandlungen, die zwei Grundanliegen gerecht werden müssen. Zum einen geht es darum, die internationale Agrarpolitik und- den Agrarhandel kohärent zu den Zielen einer Neuorientierung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion in Europa sowie der damit verbundenen Umwelt- und Qualitätskriterien zu organisieren. Die eingeleitete Agrarwende in Deutschland und Europa darf nicht durch die Beschlüsse der WTO unterlaufen werden. Nachhaltige Produktion und Gesundheitsschutz sind grundlegende Ziele sowohl für Industrie- als auch Entwicklungsländer. Ihre Umsetzung erfordert die Verankerung internationaler Standards in der Lebensmittelproduktion. Damit es hierbei für die Entwicklungsländer nicht zu neuen Marktbarrieren kommt, müssen sie bei der Erfüllung der Standards unterstützt werden. Zum anderen müssen die Ergebnisse der Agrarverhandlungen in Einklang mit den Bemühungen der Entwicklungsländer stehen, ihre Entwicklungsziele zu erreichen. Das Recht auf Nahrung, sowie das Ziel, die Zahl der Hungernden bis zum Jahr 2015 mindestens zu halbieren, muss durch die Beschlüsse im Rahmen der WTO befördert werden.

Verschiedene Entwicklungsländer haben sich für die Einrichtung einer "Development Box" ausgesprochen, u. a. um die auf einheimischen Sorten basierende Nahrungsmittelproduktion besonders bei Grundnahrungsmitteln zu schützen und Dumping mittels subventionierter Exporte abwehren zu können. In Doha wurde die Sonder- und Vorzugsbehandlung von Entwicklungsländern (special and differential treatment) als Bestandteil aller Verhandlungen akzeptiert.

Ein weiterer Schlüsselbereich der WTO-Runde wird die Frage des Marktzugangs sein. Die OECD-Staaten sollten einen substanziell verbesserten Marktzugang in den Verhandlungen unterstützen. Dies gilt vor allem in Bereichen, in denen Entwicklungsländer konkurrenz- und lieferfähig sind. Die OECD-Staaten sollten zudem Angebote zum Abbau bzw. der Reduzierung von Zöllen und der Zolleskalation für verarbeitete Produkte vorlegen. Die EU und andere OECD-Staaten sollten sich einer weitergehenden Marktöffnung für alle Entwicklungsländer nicht verschließen.

Mit der Initiative "Everything but Arms" hat die EU ihre Märkte für die ärmsten Länder inklusive Übergangsregeln für Zucker, Reis und Bananen, weitgehend geöffnet. Andere OECD-Staaten sollten dem europäischen Vorbild folgen und eine Marktöffnung für die. LDC-Staaten verwirklichen. Diese Forderung des EU-Handelskommissars und der Bundesregierung wird mit Nachdruck vom Deutschen Bundestag unterstützt.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die EU-Kommission und die Bundesregierung die anstehende Halbzeitbewertung der Agenda 2000 ("mid term review") als Chance zu einer tragfähigen, WTO-kompatiblen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nutzen wollen. Dies gilt insbesondere für die Vorschläge, die auf die Entkopplung von Subventionen von Preisen, Mengen und Anbauverpflichtungen abzielen. In den Mittelpunkt der europäischen Agrarpolitik rücken die gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft, für Tier- und Umweltschutz, Verbraucherschutz und Qualitätsproduktion sowie für die Entwicklung der ländlichen Räume.

Dem gegenüber wird der Entwurf des WTO-Modalitätenpapiers dem Leitbild einer global nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft nicht gerecht. Wir begrüßen, dass bestimmte Elemente und Sonderregelungen für Entwicklungsländer aufgenommen worden sind. Doch auch aus entwicklungspolitischer Sicht sind diese Vorschläge nicht hinreichend. Die Vorgaben für die Landwirtschaft gefährden gleichzeitig das europäische Modell einer flächendeckenden, multifunktionalen Landwirtschaft und würden zum Abbau unzähliger Arbeitsplätze im ländlichen Raum führen. Die Anpassungslasten dieses Vorschlags sind unausgewogen im Hinblick auf die Europäische Union.

Aus Sicht des Deutschen Bundestages müssen die kommenden Monate zu fairen Verhandlungen genutzt werden. Ziel muss es sein, dass der internationale Handel sowohl für die europäische Qualitätsproduktion als auch für Lebensmittel aus Entwicklungsländern faire Bedingungen gewährleistet. Die Kriterien der Nachhaltigkeit sowie überprüfbare soziale und ökologische Mindeststandards müssen dabei die "Leitplanken" bilden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

  • sich in der WTO-Runde für einen substantiell verbesserten Marktzugang der Entwicklungsländer im Agrarbereich einzusetzen,
  • sich dafür einzusetzen, dass Produkte aus Fairem Handel mit Entwicklungsländern einen bevorzugten Marktzugang erhalten,
  • sich dafür einzusetzen, dass andere OECD-Staaten dem europäischen Vorbild folgen und eine Marktöffnung für die LDC-Staaten verwirklichen,
  • sich dafür einzusetzen, alle Formen der Exportsubventionierung der Industrieländer drastisch zu reduzieren mit dem Ziel diese abzuschaffen,
  • Direktzuschüsse der Industriestaaten, die auf Produkte bzw. die Produktion bezogen sind und bei denen der Export des Produkts einen bestimmten Anteil überschreitet, wie Exportsubventionen zu behandeln,
  • sich dafür einzusetzen, dass mit durch den Exportsubventionsabbau frei werdenden Mitteln auch die ländliche Entwicklung in Entwicklungsländern gefördert wird und diese Länder darin unterstützt werden, Weiterverarbeitungskapazitäten von Agrarprodukten auf- und auszubauen,
  • sich dafür einzusetzen, dass die Multifunktionalität der Landwirtschaft und damit Maßnahmen zur Förderung des Natur- und Landschaftsschutzes, der Entwicklung ländlicher Räume, der Arbeitsplatzsicherung, des ländlichen Tourismus und regionaler Wirtschaftskreisläufe als förderungswürdig im Rahmen der "green box" anerkannt werden; sich in diesem Rahmen insbesondere dafür einzusetzen, dass Agrarumweltmaßnahmen sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern weiterhin vollständig als Maßnahmen im Rahmen der "green box" gefördert werden können,
  • sich dafür einzusetzen, dass das Vorsorgeprinzip sowie ökologische und gesundheitsbezogene Standards in der Lebensmittelproduktion verankert werden. Transparente und allgemeingültige Kennzeichnungsregeln sollen für
    Lebens- und Futtermittel vereinbart und ihre verbindliche Anwendung ermöglicht werden,
  • sich für die Aufnahme einer klar definierten "development box" im WTO Agrarabkommen einzusetzen, um die Ernährungsbasis in Entwicklungsländern zu stärken und die Bedingungen für die Entwicklung des ländlichen Raums zu verbessern; hierzu zählt auch, den Entwicklungsländern das Recht zuzugestehen, ihren eigenen Agrarsektor durch Außenschutz und interne Stützung schützen und fördern zu können. Dabei sollten jedoch alle Maßnahmen transparent und nachvollziehbar erfolgen,
  • im Zuge der WTO-Verhandlungen insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass bestehende Präferenzen für die ärmsten Entwicklungsländer sowie die AKPStaaten erhalten bleiben bzw. neue Präferenzstrategien aufgebaut werden,
  • sich für eine Abschaffung der sog. De-Minimis-Regel für entwickelte Länder einzusetzen,
  • die internationalen Bemühungen zur Kodifizierung des "Recht auf Nahrung" fortzusetzen und bei der Unterstützung der UN-Entwicklungsziele die besondere Rolle der ländlichen Entwicklung zu beachten,
  • sich bei der Weltbank, im Rahmen der europäischen Entwicklungszusammenarbeit und der bilateralen Zusammenarbeit für eine stärkere Förderung ländlicher Entwicklungsprogramme einzusetzen,
  • sich dafür einzusetzen, dass Regelungen dafür getroffen werden, die Nahrungsmittelhilfe nicht zur Überschussbeseitigung und zur Verdrängung einheimischer Saaten zu missbrauchen,
  • die technische und finanzielle Hilfe an die Entwicklungsländer bei allen Fragen des Zugangs zu den benötigten Technologien für TBT- und SPS-Standards (Technical Barriers to Trade-Abkommen, sowie Sanitäre und Phytosanitäre Maßnahmen-Abkommen der WTO) sowie die bessere Nutzung von Ursprungsregeln auszudehnen und bei den WTO-Verhandlungen zu berücksichtigen. Das gilt auch für Capacity building bei allen internationalen standardsetzenden Organisationen, da für mehr Ausgewogenheit bei der Repräsentanz von Ländergruppen und Interessensvertretern gesorgt werden muss,
  • frühzeitig vor der Einführung neuer Standards in einem Industrieland, Vertretungen der Entwicklungsländer zu Konsultationen heranzuziehen und für Schwierigkeiten der Entwicklungsländer, mit bestimmten Standards und Verfahren der Standardsetzung, Risikoeinschätzung oder wissenschaftlicher Beweisführung, Mechanismen zu entwickeln, wie diese Schwierigkeiten besser artikuliert, erfasst und berücksichtigt werden können.

Berlin, den 12. März 2003

Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion


Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge:
- Für eine nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessenausgleich bei den laufenden WTO-Verhandlungen
- WTO-Verhandlungen - Europäisches Landwirtschaftsmodell absichern

(Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesordnungspunkt 9)
Dr. Sascha Raabe (SPD): Drei Viertel der Hungernden und Armen der Welt leben im ländlichen Raum, täglich sterben 24 000 Menschen an den Folgen von Hunger und Armut. Wenn wir uns das vor Augen führen, dann wird klar, dass es in dieser Debatte nicht nur um Agrarhandel und die Absicherung der europäischen Agrarindustrie geht - so wie die CDU/CSU dies in ihrem Antrag formuliert, sondern es geht auch um Hunger, es geht um Menschenwürde und um Entwicklungschancen für die Menschen in den ärmsten Ländern dieser Welt.

Hohe Exportsubventionen und handelsverzerrende Direktzuschüsse der Industrieländer zerstören die Märkte für Kleinbauern in den Entwicklungsländern. Gleichzeitig gehen den Entwicklungsländern durch die Importzölle der Industrieländer circa doppelt so viele Einnahmen verloren, wie sie durch die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit erhalten. Diese ungerechte Welthandelsordnung führt zu ländlicher Armut und zum Niedergang der Landwirtschaft in vielen Entwicklungsländern.

Es gibt aber noch einen weiteren Effekt: Der Anbau von Coca- und Mohnpflanzen ist für viele Kleinbauern oftmals der einzige Ausweg, um die Familie zu ernäh ren. Mit dem Drogenhandel werden dann wiederum Guerrilla-, Mafia- und Terrororganisationen finanziert, was zur Destabilisierung ganzer Länder und - wenn ich an Südamerika denke - auch ganzer Kontinente führen kann.

Somit fällt die Ungerechtigkeit der Weltmarktordnung am Ende dann wieder auf uns zurück. Es ist also in unserem eigenen Interesse bei der Reform des Welthandelssystems auch für die Entwicklungschancen der armen und ärmsten Länder einzutreten.

Auch die heute Vormittag geführte Debatte über ein Zuwanderungsgesetz und die Frage von Flüchtlingen und armutsbedingter Migration ist nicht von der Frage nach fairen Lebensbedingungen in allen Teilen dieser Welt zu trennen. Deshalb muss die Globalisierung fair gestaltet und die WTO-Runde, wie in Doha angekündigt, tatsächlich zu einer Entwicklungsrunde werden. Wenn wir das Ziel, die Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren, erreichen wollen, müssen wir jetzt handeln.

In unserem Antrag haben wir wichtige Vorschläge formuliert, um die Armutsspirale zu stoppen. Exportsubventionen und handelsverzerrende Direktzuschüsse der Industrieländer für die Landwirtschaft müssen abgebaut werden. Dadurch werden zum einen wertvolle Mittel für die notwendige Unterstützung einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft bei uns frei. Zum anderen können wir mit einem Teil der frei werdenden Mittel auch die Entwicklungsländer in die Lage versetzen, ihre Landwirtschaft nachhaltig zu reformieren. Ziel ist es, . nicht die Agrarindustrie, sonder die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe bei uns und in den Entwicklungsländern zu stärken.

Zur besonderen Unterstützung von Kleinbauern in Entwicklungsländern wollen wir den bevorzugten Marktzugang von Produkten aus fairem Handel erreichen. Allerdings kann eine Ausweitung des Marktanteils fair gehandelter Produkte nur dann gelingen, wenn das Bewusstsein der Verbraucher für die Problematik hierzulande geschärft wird. Deshalb ist es außerordentlich zu begrüßen, dass die Bundesregierung öffentlichkeitswirksame Kampagnen zugunsten des fairen Handels ausweitet. Ich erinnere zum Beispiel an die vor wenigen Wochen stattgefundene "Transfair goes global"-Kampagne anlässlich der Einführung des neuen Fair Trade Logos.

Neben dem Abbau von Importzöllen insbesondere für weiterverarbeitete Produkte dürfen auch keine neuen nichttarifären Hindernisse für die Entwicklungsländer entstehen. Deshalb müssen wir die Entwicklungsländer durch technische und finanzielle Hilfe aktiv unterstützen, damit sie unsere ökologischen und gesundheitlichen Standards erfüllen können.

Mit der Aufnahme einer "development box" im WTO-Abkommen soll die Ernährungsbasis in den Entwicklungsländern gestärkt und die Bedingungen für die Entwicklung des ländlichen Raumes verbessert werden. Hierzu zählt auch, den Entwicklungsländern das Recht zuzugestehen, ihren eigenen Agrarsektor insbesondere im Bereich der Grundnahrungsmittel durch Außenschutz und interne Stützung schützen und fördern zu können.

Ich will zum Schluss noch einmal auf die Frage der Kohärenz unserer Politik eingehen. Denn wie die Debatte heute zeigt, dürfen wir nicht durch falsche Weichenstellungen in der Handelspolitik die Ziele der Entwicklungspolitik gefährden. Heidemarie Wieczorek-Zeul hat diesen vernetzten Ansatz, wonach alle Ressorts in ihren Entscheidungen die Wirkungen für die Entwicklungsländer berücksichtigen sollen, zur Leitlinie unserer Entwicklungspolitik gemacht.

Deshalb haben wir in der Koalition unseren Antrag eng zwischen den Fachleuten für Landwirtschaft und Entwicklungspolitik abgestimmt. Das hätte dem Antrag der Opposition vielleicht auch ganz gut getan. Ich finde nämlich keinen einzigen Namen eines Entwicklungspolitikers der Union auf diesem Antrag. Es reicht eben nicht, sich nur im Entwicklungsausschuss für die armen Länder stark zu machen, sondern gerade auch in Handelsfragen entscheidet sich, ob wir die große Kluft zwischen Nord und Süd überwinden können.

Entwicklungsländer wollen keine Almosen - Nahrungsmittelhilfe, um Überschüsse loszuwerden, ist meist sogar kontraproduktiv-, sondern sie wollen in der Lage sein, selbstständig ihre Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Dies geht nur mit einer gerechten Welthandelsordnung und einer fairen Ausgestaltung der Globalisierung. Dies ist wiederum nur durch eine kohärente Entwicklungspolitik zu erreichen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.


GATS Kampagne, Attac Deutschland
www.gats-kritik.de - Version vom Do, 22.05.03

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