Berlin, den 14. Februar 2003/m
Sehr geehrter Herr J.,
für Ihr Schreiben vom 4. Februar 2003 danke ich Ihnen auch
im Namen meiner badenwürttembergischen Kolleginnen und Kollegen
der SPD-Bundestagsfraktion.
Die SPD-Bundestagsfraktion teilt die Besorgnis Ihrer und anderer
Organisationen bezüglich der Marktöffnung für Dienstleistungen
im Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen
(GATS), die die öffentliche Daseinsvorsorge betreffen. Dazu
haben sich Kollegen von mir schon auf der attac-Veranstaltung zu
GATS am 7, Februar 2003 geäußert. Dies gilt nicht nur
für Liberalisierungen in Bereichen, die öffentliche Daseinsvorsorge
berühren, wie Wasserwirtschaft, Gesundheitswesen oder Bildung
und Wissenschaft, sondern auch für Bereiche wie zum Beispiel
das Bauwesen, unternehmensnahe Dienstleistungen oder Umweltdienstleistungen.
Aufgrund des komplizierten Verhandlungsverfahrens im GATS erscheint
es bedenklich, ohne die von der Enquete-Kommission empfohlene Flexibilität
des Abkommens und ohne Folgenabschätzungen vor Übernahme
weiterer Verpflichtungen, Entscheidungen auf EU-Ebene festzulegen.
Besonders der angestrebte enge Zeitrahmen, offenbar mit dem Ziel
in Genf schon EU-Vorschlage in die Verhandlungen einzubeziehen,
schließt eine angemessene Befassung der Parlamente und auch
der Zivilgesellschaft weitgehend aus,
Diese Besorgnis, verbunden mit der Forderung Bildung und Kultur
aus den GATS-Verhandlungen auszunehmen, wird im Antrag der Koalition
(Bundestags-Drucksache 15/224 "GATS-Verhandlungen - Bildung
als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern")
zum Ausdruck gebracht. In diesem Antrag werden explizit die Erkenntnisse
und Empfehlungen des in Ihrem Schreiben erwähnten Abschlussberichts
der EnqueteKommission "Globalisierung der Weltwirtschaft -
Herausforderungen und Antworten" (BT-Drs. 14/9200) aufgegriffen.
Hier gibt es also schon die in Ihrem Schreiben geforderte Debatte
und Beschlussfassung des Deutschen Bundestages. Weitere Initiativen
sind geplant und werden in der von der SPD-Fraktion eingerichteten
Arbeitsgruppe "Weltwirtschaft und Globalisierung" vorbereitet,
Wie Ihnen bekannt ist, hat die SPD-Bundestagsfraktion schon im
Jahre 2000 mit einer fraktions- und koalitionsinternen Anhörung
von Experten aus NGOs, Gewerkschaften, Kirchen und Regierung die
GATS-Problematik aufgegriffen. Die Ergebnisse dieser Anhörung,
an der Sie persönlich auch als Experte teilgenommen haben,
führten dazu, dass die SPD in der Enquete-Kommission darauf
gedrungen hat, das Thema GATS -gegen massiven Widerstand der großen
Oppositionspartei - zu behandeln, Gutachten einzuholen, intensiv
mit Sachverständigen zu diskutieren und schließlich Empfehlungen
auszusprechen.
Nach dem Neuzuschnitt des zuständigen Ressorts und der entsprechenden
Parlamentsgremien sind unsererseits bereits Gespräche zu den
GATSVerhandlungspositionen geführt worden. Hier ging es unter
anderem um rechtzeitige Information des Parlaments.
An dieser Stelle darf ich noch einmal betonen, wie sehr die kritische
und konstruktive Begleitung der parlamentarischen Arbeit uns hilft,
unterschiedliche Positionen in unserer Gesellschaft zu wichtigen
Themen wie GATS abzugleichen, nachzufragen, zu diskutieren und mit
der notwendigen Sensibilisierung für Probleme die bestmöglichen
Entscheidungen zu treffen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lange
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