Sehr geehrter Herr X.,
in diesen Tagen ist mir nun das Antwortschreiben
des Parlamentarischen
Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit Dr. Ditmar Staffelt MdB zugegangen, das ich Ihnen anbei zukommen
lasse.
Daraus geht hervor, daß die von attac geäußerten
Befürchtungen unbegründet sind und das von Ihnen zugesandte
Schreiben leider viele unzutreffende Behauptungen enthält.
Das GATS nimmt Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher
Gewalt erbracht werden, ausdrücklich aus. Die WTO-Mitglieder
behalten sich darin ausdrücklich vor, eigenständig zu
regeln, worin diese durch staatliche Stellen erbrachten Dienstleistungen
bestehen. Das ist auch EU-Position.
Auch weist der Staatssekretär die Behauptung zurück,
die Öffentlichkeit werde nicht beteiligt. Neben der Information
der Parlamente, also auch des Deutschen Bundestages könne sich
jeder im Internet und auf Informationsveranstaltungen informieren,
in die auch NRO´s einbezogen werden.
Die Positionen der Bundesregierung werden auch von den Experten der
SPD-Bundestagsfraktion geteilt. Sie halten es für unabdingbar,
den Bereich der hoheitlich erstellten Dienstleistungen, darunter besonders
in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wasser und der öffentlichen
Daseinsvorsorge von den GATS-Verhandlungen auszunehmen.
Darüber hinaus drängt die SPD-Bundestagsfraktion auf
eine genaue Klärung, welche Dienstleistungen ausgenommen sind,
weil die Definition dessen, was "Ausübung hoheitlicher
Gewalt" erbracht wird, in den WTO-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich
ist.
Die Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft"
des 14. Deutschen Bundestages hat dazu Handlungsempfehlungen ermittelt,
die Grundlage des Handelns von Regierung und SPD-Fraktion sind.
Diese sende ich Ihnen ebenfalls im Anhang zu. Für Rückfragen
stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Walter Hoffmann
Anhang:
Auszug aus den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission
"Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und
Antworten" zum Thema GATS/ WTO (aus dem Abschlussbericht, Kapitel
drei, Drucksache 14/9200)
Empfehlung 3-11 Erhaltung der Flexibilität
In Bezug auf die laufenden GATS-Verhandlungen sollte die Flexibilität
des Abkommens erhalten bleiben und noch verstärkt werden. Dies
betrifft zum einen die souveräne Entscheidung der WTO-Mitglieder,
welche Sektoren sie in welchem Ausmaß für ausländische
Anbieter öffnen wollen. Zum anderen beinhaltet es das Recht,
einzelne Sektoren von den GATS -Verpflichtungen auszunehmen. Dabei
darf auf einzelne Staaten kein Druck zur Liberalisierung ausgeübt
werden. GATS - Verpflichtungen müssen die Möglichkeit
einschließen, Modelle (z. B. zu Public Private Partnership)
zu erproben und spezifische Verpflichtungen zurückzunehmen,
wenn die damit verbundenen Erwartungen nicht realisiert werden können.
Empfehlung 3-12 Folgeabschätzungen vor Übernahme weiterer
Verpflichtungen
Überprüfung der möglichen Folgen neuer Verpflichtungen
vor der Übernahme weiterer Liberalisierungsverpflichtungen
bei den GATS-Verhandlungen. Erst nach Vorlage derartiger Folgeabschätzungen
und der öffentlichen Diskussion ihrer Ergebnisse mit allen
relevanten Stakeholdern soll über die Übernahme weiterer
Liberalisierungsverpflichtungen entschieden werden. In der Folgeabschätzung
sollten folgende Fragen beantwortet werden: Welche Veränderungen
der Marktstrukturen (Monopole, Oligopole etc) sind zu erwarten?
Ergeben sich Einschränkungen staatlicher Wettbewerbskontrolle?
Wie verändern sich Kosten und Preise? Wie verändert sich
die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Anbieter? Sind Gemeinwohlverpflichtungen,
wie sie z. B. bei einigen Leistungen der Daseinsvorsorge auferlegt
werden, betroffen? Welche Beschäftigungswirkungen sind in den
betroffenen Sektoren zu erwarten, z. B. Rationalisierungseffekte,
veränderte Qualifikationsanforderungen, geschlechtsspezifische
Arbeitsteilung, Chancen Niedrigqualifizierter, Flexibilisierung
der Erwerbsstrukturen und Veränderungen gewerkschaftlicher
Interessenvertretung? Welche Umwelt- und Gesundheitsfolgen sind
zu erwarten? Wie weit werden öffentliche Regelungsmöglichkeiten
und Kontrolle und die Einflussnahme von Betroffenengruppen beschränkt?
Welche Auslandswirkungen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern,
gehen mit weiteren GATS - Liberalisierungen einher und wie verhalten
sich diese zum politischen Ziel der Kohärenz von Entwicklungs-
und Handelspolitik?
Empfehlung 3-13 Ausschluss von Bildung und weiteren Leistungen
der öffentlichen Daseinsvorsorge aus den GATS Verhandlungen
Die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge (wie z. B.
auch die öffentlichen Bildungs- und Kulturdienstleistungen)
sollten aus den Verhandlungen des GATS herausgenommen werden und
auch nicht als Tauschoption für die Marktöffnung privater
Dienstleistungen gelten. Die Bundesregierung und die EU werden aufgefordert,
eine Präzisierung der Dienstleistungen "in hoheitlicher
Gewalt" vorzunehmen. Im Rahmen eines Zusatzprotokolls müssen
die Ausnahmeregelungen für diese Dienstleistungen verstärkt
werden.
Empfehlung 3-14 Keine Unterschreitung der EU-Standards und Normen
im Bereich der Berufsqualifikationen, technischen Normen und der
Lizenzierungsverfahren
Im Rahmen der internationalen Harmonisierung von Qualifikationserfordernissen,
technischen Normen und Zulassungsverfahren sollen keine internationalen
Verpflichtungen unterhalb der EU-Standards und Normen eingegangen
und klargestellt werden, dass das Recht national höherwertige
Standards und Normen festzulegen, nicht beeinträchtigt wird.
In diesem Zusammenhang ist eine Auswertung bisheriger Erfahrungen
mit internationalen Harmonisierungen im Bereich der Berufsqualifikationen,
der technischen Normen und der Lizenzierungsverfahren durchzuführen.
Dazu gehört auch eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse
der zwischenstaatlichen gegenseitigen Anerkennungsabkommen.
Empfehlung 3-15 Einbeziehung von Arbeits-, Sozial- sowie Umweltstandards
Die Bundesregierung und die EU werden aufgefordert, in die Anforderungen
und Normen in Bezug auf internationale Harmonisierung zwingend Arbeits-
und Sozialstandards sowie Umweltstandards einzubeziehen. Die ILO-Kernarbeitsnormen
wie auch die ILO-Konvention 94 zu Regierungsaufträgen müssen
als internationaler Standard gewährleistet werden. Insbesondere
im Rahmen öffentlicher Auftragsvergabe oder Marktzugangsregelungen
muss das Recht europäischer oder nationalstaatlicher höherer
Standards in Bezug auf die Einhaltung von Kollektivverträgen,
Chancengleichheit, Nichtdiskriminierung, sowie sozial-, umwelt-
und wachstumspolitischen Zielen und "Fair-Labour-Standards"
in der Auftragsvergabe erhalten bleiben.
Empfehlung 3-16 Analyse der Wechselwirkungen zwischen nationaler,
europäischer und multilateraler Regulierungsebene
Es sollte dringend ein stärkeres Augenmerk auf die Wechselwirkungen
zwischen nationaler, europäischer und multilateraler Regulierungsebene
gerichtet werden. Die Analyse derartiger Wirkungen sollte vor allem
anhand der Untersuchung einzelner Dienstleistungssektoren erfolgen.
Dazu bedürfen auch die unterschiedlichen Möglichkeiten
der diversen Stakeholder, Entscheidungsprozesse auf den jeweiligen
Regulierungsebenen zu beeinflussen, einer eingehenderen Betrachtung.
Vor allem ist ein Vergleich der Einflussmöglichkeiten von Parlamenten,
Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen
in diesen Arenen geboten, um daran anknüpfend Ansätze
einer neuen Justierung bestehender Ungleichgewichte bei der Interessenwahrnehmung
und -durchsetzung entwickeln zu können.
Empfehlung 3-17 Einbeziehung aller Beteiligten in die Beratungen
Die Bundesregierung und EU-Kommission werden aufgefordert, alle
Verhandlungsvorschläge, seien es Marktöffnungsforderungen
der EU gegenüber Drittstaaten oder umgekehrt Forderungen von
Drittstaaten gegenüber der EU oder auch entsprechende Marktöffnungsangebote,
frühzeitig allen interessierten NGO, Gewerkschaften und Verbänden
bekannt zu machen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Die zuständigen Fachausschüsse sind in die Beratung und
Entscheidung frühzeitig einzubeziehen. Auch in die Evaluierung,
die weiteren Verhandlungen, die Erstellung der Rahmenrichtlinie
für die öffentliche Daseinsvorsorge müssen Nichtregierungsorganisationen,
Gewerkschaften und Verbände frühzeitig einbezogen werden.
Die Enquete-Kommission empfiehlt mit besonderem Nachdruck, auf parlamentarischer
Ebene neben dem europäischen Parlament im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens
auch die zuständigen Fachausschüsse der nationalen Parlamente
an den Beratungen zu beteiligen und in die Beschlüsse mit einzubeziehen.
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