GATS-Briefaktion - Antwort von Hans-Martin Bury, Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen, SPD

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Berlin, den 21.03.2003


Sehr geehrter Herr J.,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 04. Februar 2004 zur möglichen weiteren Liberalisierung von Grundversorgungsdienstleistungen im Rahmen der WTOHandelsrunde.

Die WTO-Ministerkonferenz in Doha hat im November 2001 das Thema Dienstleistungen in den umfassenden Verhandlungskontext einer neuen WTO-Runde einbezogen und den zeitlichen Rahmen für die weiteren Verhandlungen gesetzt. Diese Entscheidung wurde auch von der Bundesregierung unterstützt.

Allerdings zielen die Dienstleistungsverhandlungen nicht auf die Privatisierung staatlicher oder in Monopolwirtschaft betriebener Aktivitäten. Vielmehr erkennt GATS (General Agreement an Trade in Services) das Recht der Mitglieder, die in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Dienstleistungen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen nationalen politischen Zielsetzungen zu regeln, ausdrücklich an. Die Kommission der Europäischen Union als GATS-Verhandlungsführerin hat in ihrem 1. Angebotsentwurf vom 07.02.03 die für uns bzw. die Europäische Union sensiblen Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Verteilung von Wasser nicht thematisiert. Dieser Entwurf wird gegenwärtig mit den Mitgliedsländern der Europäischen Union abgestimmt und soll bis zum 31.03.03 als Eingangsangebot der Gemeinschaft in den Genfer Verhandlungsprozess eingebracht werden.

Die Europäische Union hat in ihren sog. "Requests" einige Staaten um Öffnung ihres Wassermarktes für ausländische Anbieter gebeten. Durch die Liberalisierung im Rahmen von GATS kann z. B. in Ländern, in denen öffentliche Systeme eine hinreichende Wasserversorgung nicht gewährleisten, ausländisches Kapital und Know How bereitgestellt werden. Die Festlegung von verlässlichen Rahmenbedingungen durch GATS kann hierfür einen Anreiz bieten. Das Recht der Staaten, in einem bereits privatisierten Sektor Auflagen zu Leistungsqualität, Preisen etc. zu erteilen, wird durch GATS nicht angetastet. Auch bleibt es einem Land unbenommen, Liberalisierungsforderungen anderer Staaten abzulehnen.

Ergänzend möchte ich unterstreichen, dass in den vergangenen Monaten auch die interessierte Zivilgesellschaft Gelegenheit hatte, zu den an die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gerichteten Drittlandsforderungen Stellung zu nehmen. Hierfür wurden die Drittlandsforderungen in einer der vorgegebenen Vertraulichkeit dieser Forderungslisten gerecht werdenden Fassung, dem sog. "Konsultationspapier", dargestellt und beschrieben. Außerdem hat die Bundesregierung die EU-Kommission in dem für die GATSVerhandlungen zuständigen handelspolitischen Ausschuss fortlaufend über sämtliche Positionen unterrichtet, die ihr von Betroffenen, wie Verbänden, Gewerkschaften u. a., zugegangen sind. Im Rahmen der Erörterung des Angebotsentwurfs hat die Bundesregierung die EU-Kommission ausdrücklich gebeten, eine Zusammenfassung des umfangreichen Papiers der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Bundesregierung wird den Deutschen Bundestag bzw. seine betroffenen Ausschüsse auch künftig über den Fortgang der WTO-Dienstleistungsverhandlungen unterrichten.

Die Bundesregierung wird sich weiterhin im Rahmen des möglichen für die deutschen Interessen bei der Festlegung der Position der Europäischen Union zu den Dienstleistungsverhandlungen einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Martin Bury



GATS Kampagne, Attac Deutschland
www.gats-kritik.de - Version vom Mo, 14.04.03

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