Betreff: Ihr Schreiben vom 14. Januar 03
Sehr geehrter Herr Fritz,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum GATS-Abkommen.
Ich unterstütze Ihre kritische Haltung und sende Ihnen anbei
meine schriftlichen Fragen und die Antworten der Bundesregierung
zu diesem Thema. Sehr gern würde ich Ihr Gesprächs- und
Kooperationsangebot wahrnehmen. Zwar habe ich als fraktionslose
Abgeordnete nur eingeschränkte parlamentarische. Kontrollmöglichkeiten,
aber ich würde diese weiterhin sehr gern für dieses Anliegen
nutzen.
Ich würde mich über Ihre Antwort und einen konkreten
Terminvorschlag für ein Gespräch sehr freuen.
Wenn Sie Interesse an weiteren aktuellen Informationen über
meine Arbeit haben, besuchen Sie doch einmal meine Homepage im Internet
unter der Adresse www.gesine-loetzsch.de.
Mit freundlichen Grüßen,
Gesine Lötzsch
10.2.2003
Gesine Lötzsch befragt Bundesregierung zum "Allgemeinen
Abkommen über Handel mit Dienstleistungen" (GATS)
Schriftliche Fragen der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch
und die Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs im
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Gerd Andres vom
10. Februar 2003:
Frage Nr. 249
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Empfehlung 3-12
des Schlussberichts der Enquete-Kommission "Globalisierung
der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten" des 14.
Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 14/9200) gezogen, die
besagt, dass über die Obernahme weiterer Liberalisierungsverpflichtungen
erst nach Vorlage und umfassender Diskussion von Abschätzungen
der möglichen Folgen entschieden werden soll und welche Schritte
hat sie in diesem Sinn in die Beratungen über die Verhandlungsposition
der EU mit welchem Ergebnis eingebracht?
Antwort:
Die von Art. XIX GATS (Allgemeines Abkommen über Handel mit
Dienstleistungen) vorgegebenen und seit Anfang 2000 eingeleiteten
WTO-Dienstleistungsverhandlungen zielen auf insgesamt höhere
und ausgewogenere Liberalisierungsverpflichtungen aller WTO-Mitglieder.
Die Bundesregierung erhofft sich hiervon insbesondere verbesserten
Marktzugang für die exportorientierte deutsche Dienstleistungsindustrie,
gerade auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Nach Übermittlung
länderspezifischer Forderungen der EU/EU-MS an Drittländer
Anfang Juli 2002 bereitet die EU-Kommission als Verhandlungsführerin
der Gemeinschaft derzeit einen Entwurf für mögliche zusätzliche
Liberalisierungsverpflichtungen der EU/EU-MS vor. Die Bundesregierung
hat der EU-Kommission in diesem Zusammenhang und im Kontext der
ständigen handelspolitischen Koordinierung auf die für
Deutschland sensiblen Bereiche hingewiesen und geht davon aus, dass
dies von der EU-Kommission bei der Formulierung des Angebotsentwurfs
sachgerecht berücksichtigt werden wird. Der Entwurf des Gemeinschaftsangebots
wird, sobald er den EU-Mitgliedstaaten zugestellt wird, zunächst
auf Ebene aller EU-MS mit allen Betroffenen intensiv abgestimmt
werden. Ende März 2003 soll das derart abgestimmte Eingangsangebot
dann in den Genfer Verhandlungsprozess eingeführt werden. Das
Verhandlungsangebot unterliegt im nachfolgenden Verhandlungsablauf
unter Berücksichtigung der Verhandlungsangebote der Drittländer
fortlaufenden Änderungen. Angesichts dieser gerade erst anlaufenden
und sich fortlaufend konkretisierenden und verändernden Verhandlungssituation
ist eine konkrete Folgenabschätzung, wie sie in der Empfehlung
3-12 der Enquete-Kommission beschrieben wird, derzeit nicht möglich.
Frage Nr. 250
Welche Schritte hat die Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen
3-13 dieser Kommission, die den Ausschluss von Bildung und weiteren
Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge aus den Verhandlungen
zum GATS empfiehlt, unternommen und aufgrund welcher Überlegungen
und Interessen hat sie den offenbar im Widerspruch zu dieser Empfehlung
seitens der EU erhobenen Liberalisierungsforderungen gegenüber
Mitgliedsländern der WTO insbesondere auch zur Liberalisierung
des Wassermarktes zugestimmt?
Antwort
Hoheitlich erbrachte Dienstleistungen gehören gem. Art. 1.3.b
GATS schon begrifflich nicht zum Anwendungsbereich dieses Abkommens.
Art. 1.3.c GATS beschreibt die in Ausführung hoheitlicher Gewalt
erbrachten Dienstleistungen als "Dienstleistungen, die weder
zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren
Dienstleistungserbringern erbracht" werden. Auf Basis dieser
differenzierenden Definition haben EU/EU-MS schon seit Inkrafttreten
des GATS-Übereinkommens am 01.01.1995 für "privat
finanzierte Ausbildungsdienstleistungen" umfangreiche Liberalisierungsverpflichtungen
übernommen. Die Meistbegünstigungserstreckung von Subventionen,
wie sie häufig für staatlich erbrachte Bildungsdienstleistungen
gewährt werden, wird damit ausgeschlossen. Eine Ausweitung
dieser bestehenden und einschränkenden Verpflichtungen der
Gemeinschaft ist nicht beabsichtigt. Entsprechendes gilt für
die bestehenden horizontalen Einschränkungen bei den Verpflichtungen
von EU/EU-MS im Be-zug auf Dienstleistungen, die auf nationaler
oder örtlicher Ebene als öffentliche Aufgaben betrachtet
werden und staatlichen Monopolen oder ausschließlichen Rechten
privater Betreiber unterliegen (s. BGBL 1994, li, S. 1679).
Frage Nr. 251
Hält es die Bundesregierung für möglich, die Handlungsaufforderung
zur Sicherstellung des öffentlichen Bildungs- und Hochschulwesens
auf Bundestagsdrucksache 15/224 als bloßen Sektorenvorbehalt
wirksam umzusetzen, oder hält sie - wie die Enquete-Kommission
- dazu, eine Präzisierung der Definition von "Dienstleistungen
in hoheitlicher Gewalt" im GATS-Abkommen für erforderlich?
Antwort:
Die Bundesregierung hält eine Präzisierung der in Art.
1.31 u. c GATS für hoheitlich erbrachte Dienstleistungen enthaltenen
Definition für . wünschenswert und hat dies gegenüber
der EU-Kommission angeregt. Die für derartige Fragen zuständige
Arbeitsgruppe der WTO hat diesen Komplex bislang noch nicht vertieft
erörtern können. Zum bestehenden und künftigen Verpflichtungsumfang
von EU/EU-MS im Bildungssektor verweise ich auf die Antwort zu Frage
2.
Frage Nr. 252
Welche Rückwirkung für die Haltbarkeit des Ländervorbehaltes
zum Schutz des Prinzips des Gebietsschutzes in der Wasserversorgung
in der Bundesrepublik Deutschland erwartet die Bundesregierung im
Rahmen des europäischen Wettbewerbsrechts von der Tatsache,
dass die EU gerade in diesem Bereich eigene Liberalisierungsforderungen
aufgestellt hat?
Antwort:
Es bestehen keinerlei zwingende Wechselwirkungen zwischen gemeinschaftsinterner
Liberalisierung zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes
und Liberalisierungsverpflichtungen der EU/EU-MS in Zusammenhang
mit den WTO-Dienstleistungsverhandlungen. Es gibt auch keinen Automatismus
zwischen konkreten Drittlandsforderungen der EU und spiegelbildlich
identischen eigenen Liberalisierungsverpflichtungen.
Verpflichtungsangebote der Gemeinschaft für die Verteilung
von Wasser sind nach Angaben der EU-Kommission nicht vorgesehen.
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