GATS-Briefaktion - Antwort von Dr. Joachim Pfeiffer, CDU

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Sehr geehrter Herr ...,

vielen Dank für Ihre Mail vom 12. Februar zum Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS). Sie schließen sich der Position von ATTAC-Deutschland an. Erlauben Sie mir in folgenden einige generelle Informationen.

Im Zuge der laufenden GATS-Liberalisierungsverhandlungen wird der WTO aus dem Lager der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) immer wieder der Vorwurf gemacht, mit dem GATS die Privatisierung etwa der öffentlichen Wasserversorgung oder der Hochschulausbildung vorantreiben zu wollen. Kampagnen seitens ATTAC oder VENRO enthalten u.a. die Forderung nach Ausnahmeregeln vom GATS für Dienstleistungen im Bereich der Daseins-vorsorge ("public services" wie Bildung, Gesundheit, Umwelt und Wasser). So auch Ihre Forderung, sehr geehrter Herr ... .

Die Befürchtung, dass mit Hilfe von GATS die nationale Gesetzgebung der Parlamente ausgehebelt wird, öffentliche Monopole durch private ersetzt werden und es unter dem Druck des Marktes zu einer allgemeinen Niveausenkung der Angebote kommt, ist völlig unbegründet. Denn entgegen diesen von den NGOs oft gestreuten Befürchtungen hat die EU die Daseinvorsorge nicht in die GATS-Verhandlungen hineingenommen. Vielmehr wird in den EU-Forderungen ausdrücklich klargestellt, dass sie weder auf eine Beeinträchtigung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge noch auf Privatisierung zielen.

Es gibt nur eine Ausnahme, und das ist die an die USA gerichtete punktuelle Forderung für privat finanzierte Dienstleistungen der höheren Bildung. Ansonsten sind Bildungsdienstleistungen von den EU-Forderungen nicht umfasst, genauso wenig wie Gesundheits- und soziale Dienstleistungen, Kultur und audiovisuelle Dienstleistungen.

Im übrigen nimmt das GATS Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, von seinem Anwendungsbereich aus (GATS, Art. I, Abs. 3 b) und behält den WTO-Mitgliedern ausdrücklich vor, die Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet unter Berücksichtigung nationaler politischer Zielsetzungen zu regeln.

Die EU hat in der Länderliste unter der Rubrik "horizontale Verpflichtungen" eintragen lassen, dass in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten "Dienstleistungen, die auf nationaler oder örtlicher Ebene als öffentliche Aufgabe betrachtet werden, staatlichen Monopolen oder aus-schließlichen Rechten privater Betreiber unterliegen" können (horizontale Ausnahme). Die EU behält sich also das Recht vor, den Marktzugang im Bereich öffentlicher Aufgaben einzuschränken. Viele NGOs befürchten allerdings, dass die EU bei den laufenden Dienstleistungsverhandlungen unter Druck gerät, die bisherigen Ausnahmen aufzugeben oder zumindest einzuschränken.

Im Einzelnen:

NGO-Behauptungen/-Befürchtungen Tatsächlich
Liberalisierung von Bildungsdienstleistungen Die Forderungen an die EU beziehen sich weniger auf das Liberalisierungsniveau in Deutschland als auf spezielle Vorbehalte anderer EU-Mitgliedsstaaten gegenüber den bestehenden EU-Verpflichtungen. Außerdem gibt es Forderungen, die sich auf "höhere Bildung" und Erwachsenenbildung generell (ohne die von der EU vorgenommene Beschränkung auf privat finanzierte Dienstleistungen) beziehen und Forderungen speziell für Bildungstestdienstleistungen.
Die EU hat keine Forderungen an Drittlandsstaaten gerichtet - bis auf eine Ausnahme: Dabei handelt es sich um die an die USA gerichtete punktuelle Forderung für privat finanzierte Dienstleistungen der höheren Bildung.
Aufgabe der öffentlichen Aufsicht über das Bildungswesen, insbesondere die Qualitätssicherung, die Festlegung von Qualitätskriterien, die Entscheidung über geeignete Verfahren des Monitorings Die Qualitätssicherung der Ausbildung ist nach GATS-Systematik der nationalen Regelungsbefugnis überlassen und nicht Gegenstand der Dienstleistungsverhandlungen
Liberalisierung im Gesundheitsbereich Die EU hat keine Forderungen an Drittlandsstaaten gerichtet und auch keine Forderungen an sie selbst erhalten.
Liberalisierung des Wassermarktes Die Forderungen an die EU beziehen sich zum Teil in allgemeiner Form auf Wasserversorgung.
Die EU-Forderungen an Drittlandsstaaten umfassen nicht den Zugang zu (Wasser-) Ressourcen und schränken auch nicht die nationalen Zuständigkeiten ein, Preise und die Verfügbarkeit von Wasservorräten zu regeln.
Deutschlands Position: Modernisierung statt Liberalisierung (u.a. Zusammenführung von Ver- und Entsorgung, Förderung von Kooperationen und Fusionen).
Liberalisierung audiovisueller Dienstleistungen Die Forderungen an die EU sind allgemein formuliert und erkennen z.T. ausdrücklich die Besonderheiten dieses sensiblen Dienstleistungsbereichs ("kulturelle Vielfalt") und die Möglichkeit an, bestimmte Subventionen im Kulturbereich ohne Weitervergabeverpflichtung aufrechtzuerhalten.
EU-Position: Dienstleistungsverhandlungen dürfen die Kernelemente der deutschen und europäischen Kulturpolitik wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Filmförderung nicht beeinträchtigen.

 

Trotz der Bedeutsamkeit des Dienstleistungssektors wird der internationale Dienstleistungshandel durch vielfältige Handelshemmnisse behindert. Groben Schätzungen des Institutes for International Economics zufolge liegt die Höhe des Einfuhrschutzes in den Dienstleistungs-branchen in allen drei großen Handelsregionen durchschnittlich noch deutlich über 50%. Es gibt somit noch erheblichen Spielraum für die Erhöhung der Wohlfahrt der Konsumenten.

Vor diesem Hintergrund tritt die CDU/CSU für eine weitere Verbesserung des Marktzugangs für Dienstleistungen ein. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass Dienstleistungen, wie z.B. Versicherungen, hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards aufweisen.

Die CDU/CSU fordert u.a., dass

  • die Dynamik der Liberalisierung im Dienstleistungsbereich, die seit der GATT-Vereinbarung 1993 mit entsprechenden Abkommen in den Bereichen Finanzdienstleistungen und Basistelekommunikation erreicht wurde, auf die übrigen Dienstleistungssektoren wie etwa die Entsorgung, den Seetransport oder den Luftverkehr und -transport übertragen wird;
  • künftige nationale Regelungen, durch die ausländische Anbieter und Investoren im Dienstleistungsbereich benachteiligt würden, dauerhaft ausgeschlossen werden;
  • der diskriminierungsfreie Zugang zu öffentlichen Aufträgen in allen WTO-Mitgliedsstaaten erreicht wird und sowohl im Güter- als auch im Dienstleistungshandel Anwendung findet. Bislang ist das Fehlen von multilateralen Regeln für die Auftragsvergabe eines der größten nicht-tarifären Handelshemmnisse im internationalen Dienstleistungsbereich. Ziel muss es sein, den Teilnehmerkreis des Übereinkommens über das Öffentliche Beschaffungswesen (GPA) zu erweitern.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt grundsätzlich die Regierung in ihrem Vorhaben, ein höheres und ausgewogeneres Liberalisierungsniveau aller WTO-Mitglieder beim Welthandel mit Dienstleistungen zu erreichen, behält sich aber auch weiterhin vor, den Verhandlungsprozess aktiv und kontrollierend zu begleiten.

Mit diesen Ausführungen hoffe ich, sehr geehrter Herr ..., Ihre Befürchtungen zerstreut zu haben und bin

mit freundlichen Grüßen

Joachim Pfeiffer


GATS Kampagne, Attac Deutschland
www.gats-kritik.de - Version vom Fr, 28.02.03

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