Berlin, 24. 01. 2003
Ihr Schreiben vom 17. Januar 2003
Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 17.01.2003.
Die CDU/CSU geht durchaus konform mit Ihrer Einschätzung, dass
sich aus derGlobalisierung herausauch zweifelsohne Risiken ergeben,
die beachtet werden müssen. Grundsätzlich begrüsst
die CDU/CSU jedoch die Liberalisierung im Dienstleistungsbereich.
Sie trägt zum Wettbewerb, und damit auch zu mehr Leistungsorientierung
und Qualitätssteigerung bei.
Die oft von zahlreichen Kritikern angestellte Vermutung, dass mit
Hilfe des GATS die nationale Gesetzgebung der Parlamente ausgehebelt
wird, ist völlig unbegründet. Denn entgegen diesen Befürchtungen
hat die EU die Daseinsfürsorge nicht in die GATS-Verhandlungen
mitaufgenommen. Vielmehr wird in den EU-Forderungen ausdrücklich
klargestellt, dass sie weder - auf eine Beeinträchtigung von
Dienstleistung der Daseinsfürsorge ("public services"
- v. a. Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen sowie Wasserversorgung)
noch auf Privatisierung zielen. Es gibt nur eine Ausnahme, und zwar
die an die USA gerichtete Forderung nach privat finanzierten Dienstleistungen
der höheren Bildung. Ansonsten sind Bildungsdienstleistungen
von der EU-Forderung nicht umfasst, genauso wenig wie Gesundheits-
und soziale Dienstleistungen, Kultur und audiovisuelle Dienstleistungen.
Ein Blick auf die Grundstruktur des GATS zeigt, dass das Übereinkommen
den WTO-Mitgliedern differenzierte Liberalisierungsansätze
ermöglicht. Ausserdem nimmt das GATS Dienstleistungen, die
in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, von seinem
Anwendungsbereich aus und behält den WTO-Mitgliedern ausdrücklich
vor, die Einbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet
unter Berücksichtigung nationaler politischer Zielsetzungen
zu regeln.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt grundsätzlich
die Bundesregierung in ihrem Vorhaben, ein höheres und ausgewogeneres
Liberalisierungsniveau; aller WTO-Mitglieder beim Welthandel mit
Dienstleistungen zu erreichen, behält sich aber auch weiterhin
vor, den Verhandlungsprozess aktiv und kontrollierend zu begleiten.
Wir haben nicht vor, bewährte Strukturen, wie zum Beispiel
die öffentlichen Bildungs- und Kulturförderung in Deutschland
durch das GATS in Frage zu stellen.
Über die vorzulegenden Liberalisierungsangebote wird zur Zeit
noch verhandelt. Nach außen übernimmt die Verhandlungen
für die EU und ihre 15 Mitgliedstaaten ausschließlich
die EU-Kommission auf der Basis des fortlaufenden, zu den jeweils
anstehenden Sachfragen von den Mitgliedstaaten erteilten Mandats.
Dieses wird in den regelmäßigen Sitzungen des handelspolitischen
Ausschusses in Brüssel nach Artikel 133 des EG-Vertrags koordiniert.
So hat in Deutschland das Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit alle, für die verschiedenen Dienstleistungssektoren
und Erbringungsarten zuständigen Ressorts (sprich die in die
Verhandlungen integrierten Bundesministerien) und - im Rahmen ihrer
Zuständigkeit - die Bundesländer in den Abstimmungsprozess
einbezogen und nach Abstimmung mit diesen die Ergebnisse an die
EU-Kommssion übermittelt. Zur Zeit ist naturgemäß
noch nicht abschließend, geklärt, in welchem Umfang die
Kommission unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen aus
den Mitgliedstaaten Vorschläge für ein Gemeinschaftsangebot
formuliert; sie will einen ersten Entwurf an die EU-Mitgliedstaaten
Anfang Februar übermitteln, den das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit dann mit allen Betroffenen intensiv abstimmen
wird. Ziel ist die Einreichung des abgestimmten Eingangsangebots
der Gemeinschaft in den Verhandlungsprozeß in Genf Ende März.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt-Dieter Grill
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