Berlin, 13.02.03
Sehr geehrter Herr J.,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 04. Februar 2003 zu den
Verhandlungen zum Allgemeinen Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen. Sie äußern Befürchtungen bei einer
vollständigen Liberalisierung des Wassermarktes. Nach meinem
bisherigem Wissensstand umfassen die EU - Forderungen an Drittlandsstaaten
nicht den Zugang zu Wasserresourcen und schränken auch nicht
die nationalen Zuständigkeiten ein, Preise und die Verfügbarkeit
von Wasservorräten zu regeln. Die Position, die Deutschland
dabei vertritt lautet Modernisierung statt Liberalisierung (u.a.
die Zusammenführung von Vor- und Entsorgung).
Zur Bildungspolitik kann ich sagen, dass die EU keine Forderungen
an Drittlandsstaaten gerichtet hat, mit Ausnahme der an die USA
gerichteten Forderung für privat finanzierte Dienstleistungen
der höheren Bildung. Die Qualitätssicherung der Ausbildung
ist nach GATS - Systematik der nationalen Regelungsbefugnis überlassen
und nicht Gegenstand der Dienstleistungsverhandlungen.
Ich möchte abschließend noch etwas über die Bedeutung
des internationalen Dienstleistungshandels sagen.
Seit über einem Jahrzehnt ist der Dienstleistungssektor die
am schnellsten wachsende Komponente der Weltwirtschaft. Der grenzüberschreitende
Dienstleistungshandel hat nämlich seit Anfang der 90er Jahre
um über 50% zugelegt und wuchs damit rund 10% schneller als
der Warenexport. Der Handel mit Dienstleistungen beläuft sich
heute nach OECD-Angaben auf insgesamt rund 2,3 Bill. US-$. Das entspricht
7,6% der Weltproduktion und nahezu einem Fünftel des gesamten
Handels mit Gütern und Dienstleistungen.
Die Bedeutung von Dienstleistungen für Wachstum und Beschäftigung
ist immens. In Deutschland etwa beträgt der Anteil des Dienstleistungssektors
am Bruttoinlandsprodukt und an der Beschäftigung jeweils knapp
70%.
Trotz der Bedeutsamkeit des Dienstleistungssektors wird der internationale
Dienstleistungshandel durch vielfältige Handelshemmnisse behindert.
Groben Schätzungen des Institutes for International Economics
zufolge liegt die Höhe des Einfuhrschutzes in den Dienstleistungsbranchen
in allen drei großen Handelsregionen durchschnittlich noch
deutlich über 50%. Es gibt somit noch erheblichen Spielraum
für die Erhöhung der Wohlfahrt der Konsumenten, was letztendlich
ein Ziel der laufenden Verhandlungen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Eberhard Gienger
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