Ihr Schreiben vom 14.02.2003
Sehr geehrter Herr Fritz,
Wir danken Ihnen für Ihre schnelle Antwort auf unseren Brief,
können ihr Besorgnislosigkeit in den von Ihnen angesprochenen
Punkten allerdings keineswegs teilen.
Wie verhält sich z.B. die Tatsache, dass die EU von 72 der
109 Staaten die Liberalisierung der Trinkwasserversorgung fordert,
zu ihrer Aussage, dass die EU die Daseinsvorsorge nicht in die GATS-Verhandlungen
hineingenommen hat? Die Trinkwasserversorgung gehört allerdings
ohne Zweifel zum Kernbereich der Daseinsvorsorge und ihre Liberalisierung
in aller Welt wäre ein Dammbruch, der bisher noch nicht einmal
im Europäischen Binnenmarkt erfolgt ist! Nutznießer auf
deutscher Seite sind die mit knappen öffentlichen Entwicklungshilfegeldern
und Exportbürgschaften gepäppelten Wasserfirmen wie RWE,
AquaMundo, die E.ON-Tochter Gelsenwasser oder Berlinwasser International.
Sollten die betroffenen Entwicklungsländer den EU-Forderungen
Folge leisten, hieße dies, dass sie auf wichtige staatliche
Regulierungen wie den Ressourcenschutz, Preisobergrenzen, Mindestanforderungen
für Instandhaltungsinvestitionen, Quersubventionierungen oder
Auflagen zum Anschluss der Armenviertel verzichten müssten.
Jegliche staatliche Regulierung liefe Gefahr, einem so genannten
"Notwendigkeitstest" der WTO-Richter zum Opfer zu fallen.
Weiterhin gibt es für die in Zweifel gestellte Senkung des
Niveaus inzwischen genügend Gegenbeispiele aus Vorreiterländem
der Privatisierung wie z.B. Großbritannien. Denn außer
der Tatsache, dass die Preise nach der Liberalisierung um etwa 50%
gestiegen sind, wurden die dortigen Versorger bereits 128 Mal wegen
Vernachlässigung der Infrastruktur und minderer Wasserqualität
verurteilt. Die Hepatitis A-Fälle haben sich um 200% erhöht,
die von Dysenterie sogar um 600%.
Als weiteren Punkt sprechen Sie die Aushebelung der nationalen
Gesetzgebung durch das GATS an. Damit ist ein grundlegender Punkt
der Demokratie gemeint. Demokratie bedeutet, dass die Bürger
gemeinsam über öffentliche Anliegen, wie die Versorgung
mit Basisdienstleistungen debattieren und entscheiden. Diese Entscheidungen
sind nicht immer richtig, und müssen daher verändert werden können. Ein internationales Abkommen,
das sich darauf beschränkt, die Rechte von multinationalen
Unternehmen zu schützen und diese fast irreversibel festschreibt,
widerspricht dem Konzept von Demokratie.
In diesem Brief gehen wir nicht auf alle wichtigen Punkte ein,
die vom GATS betroffen werden, Ihnen sollte aber bekannt sein, dass
außer dem Wassersektor auch andere Bereiche genauso weitgreifend
und alarmierend vom GATS betroffen sind. Deswegen wiederholen wir
noch einmal zwei der von uns schon angesprochenen Forderungen:
- Attac setzt sich für einen Stopp der GATS-Verhandlungen
ein, denn in Bezug auf die sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen
Folgen des Abkommens liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Es muss sichergestellt werden, dass die Bestimmungen des GATS
den Regierungen und Gebietskörperschaften nicht die Möglichkeit
nehmen, ihre Bürger mit den notwendigen Dienstleistungen
(Zugang zu Gesundheit, Wasser, Bildung, Energie und Verkehr) zu
versorgen und darüber demokratisch zu entscheiden.
- Wir fordern Sie dringend auf, sich zumindest für eine rechtzeitige
Veröffentlichung aller relevanten GATS-Dokumente einzusetzen.
Wir sind an einem Dialog in einem persönlichen Termin mit
Ihnen weiterhin interessiert und sehen Ihrer Antwort mit großem
Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
attac Dortmund
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