Berlin, 4. März 2005
Sehr geehrter Herr Reinhard,
haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 16. Februar. Sie haben mit Ihren Ausführungen
die Problemfelder der geplanten "Dienstleistungsrichtlinie" deutlich umrissen.
Zunächst einmal handelt es sich bei der "Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt"
(auch "Bolkestein-Richtlinie" genannt) um einen Entwurf der Europäischen
Kommission, der erst kürzlich noch einmal verändert wurde und nun zunächst einmal das Europäische Parlament beschäftigen wird.
Grundsätzlich lag der politische Ansatz dieser Richtlinie darin, den europäischen Dienstleistungsverkehr
zu liberalisieren, damit die Regelungen des Dienstleistungssektors nicht anderen Wirtschaftsbereichen
"hinterherhinkt".
Dennoch teile ich die von Ihren vorgebrachten Bedenken im Wesentlichen. Dies liegt nicht so sehr daran,
dass ein liberaler Dienstleistungsverkehr in Europa nicht grundsätzlich wünschenswert wäre.
Vielmehr muss man beachten, dass diese Richtlinie - träte sie in Kraft - auch ganz andere
Bereich erfassen würde, die nicht zwingend bzw. in erster Linie von wirtschaftlichen Interessen
geleitet sind. Allein für die Bereiche Kultur, Medien oder Bildung ergäben sich aus
der Richtlinie völlig neue Verfahrenswege und Förderbestimmungen, die häufig nicht im
Dienste der Sache stünden. Sollte man nun meinen, derartige Sektoren einfach aus dem Wirkungsradius
der Richtlinie ausklammern zu können, so ist das nicht so einfach. Eine solche Auslegung
widerspräche nicht nur dem Wortlaut des Art. 50 EG-Vertrag, sondern auch dem Votum des Europäischen
Gerichtshofes, der in seiner Rechtsprechung grundsätzlich keine Bereichsausnahme etwa für künstlerische Leistungen zugestanden hat.
Ein besonders schwieriger Punkt ist - wie von Ihnen angesprochen - das "Herkunftslandprinzip".
Die Folgen einer solchen Bestimmung wären in der Tat unabsehbar. Ohne aber nun alle Fragen,
die mit der geplanten Richtlinie in Zusammenhang stehen vorab zu diskutieren, möchte ich darauf
hinweisen, dass die CDU/CSU-Fraktion die Problematik dieses Vorhabens ernst nimmt und sich in der
nächsten Woche mit der Problematik weiter beschäftigen wird. In den Arbeitsgruppen, die
ich als Sprecher leite (AG Kultur und Medien, AG Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland")
werde ich das Thema intensiv besprechen. Zu diesem Zweck habe ich bereits Kontakt mit meinen Ansprechpartnern
im Europäischen Parlament aufgenommen.
Wahrscheinlich wird zu diesem Thema noch im März eine interparlamentarische deutsch-französische
Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die die Problematik weiter behandeln wird(groupe de travail
commun de l'Assemblee nationale et du Bundestag sur la proposition de directive europeenne sur la
liberalisation des services dite 'directive Bolkestein').
Wir werden uns in jedem Fall weiter intensiv mit dem Fortgang in dieser Angelegenheit befassen und einem
Verlust von nationalen Schlüsselkompetenzen in diesem Bereich nicht die Zustimmung erteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Nooke
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