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Warum nicht alle Charlie sind

Hintergrund der Anschläge ist eine zerstörerische neoliberale Politik der Ausgrenzung

Die Morde in Frankreich erfüllen uns mit Entsetzen und Trauer. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen, Freundinnen und Freunden der Opfer der Anschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo ebenso wie auf den koscheren Supermarkt in Paris. Wir gedenken insbesondere des Mitbegründers von Attac Frankreich, Bernard Maris, der bei dem Attentat auf Charlie Hebdo den Tod fand. Diese Morde sind durch nichts zu rechtfertigen.

Die Bezeugungen der Solidarität mit den Opfern von Paris rund um den Globus sind eindrucksvoll und ergreifend. Doch nicht alle Stimmen im "Wir sind Charlie"-Chor überzeugen.

Denn Anschläge wie der in Paris, seien sie scheinbar religiös motiviert oder nicht, haben auch ihre Wurzeln in einer zerstörerischen neoliberalen Politik der Ausgrenzung, Ausbeutung und Vernichtung fundamentaler Lebensgrundlagen und sozialer Sicherungssysteme weltweit. Die derzeitige Politik macht Lebensverhältnisse extrem und zerstörerisch und in ihrer Konsequenz auch die Menschen, die mit ihnen leben.

Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Wut in scheinbar politisch-religiös motivierten Anschlägen Bahn bricht, wie jetzt in Paris oder in einem privaten Umfeld wie bei den Amokläufen in den USA.

Die Suche nach Hintergründen und Erklärungsansätzen entbindet niemals von der individuellen Verantwortung der Täter für eine solche Tat. Sinnvolle Konsequenzen können aber nur aus der grundlegenden Auseinandersetzung mit den Ursachen gezogen werden und nur so zu einem wirkungsvollen und dauerhaft tragbaren Ergebnis und letztlich zu dauerhafter Prävention und Aussöhnung führen.

Hiervon ist jedoch eine auf Gewinner und Verlierer aufbauende neoliberale Politik, die auf Gewalt mit noch mehr Gewalt reagiert und sich vor einer ehrlichen Reflexion drückt, weit entfernt.

Weder durch politische Repressionen noch durch polizeiliche Mittel, sondern nur in einer Welt, in der Menschen echte Chancen auf ein gutes Leben haben, werden nicht nur in Europa, sondern weltweit gewaltsame Konflikte und Anschläge zu verhindern sein. Dafür braucht es jedoch einen Perspektivenwechsel, denn Wirtschaft und Sozialpolitik gehen seit langem an den Problemen und der Situation der Menschen vorbei.

Doch all diese Fragen nach den Hintergründen stellen die Politiker, die sich jetzt in die lange Schlange der "Charlies" einreihen, nicht. Die Angela Merkels, Francois Hollandes und Barack Obamas haben mit ihrer Politik den schrankenlosen Kapitalismus gefördert – eine Politik, die Charlie Hebdo kompromisslos kritisiert hat. Jetzt erheben sie reflexartig den gewohnten Ruf nach mehr Kontrolle, härteren Strafgesetzen und so weiter.

Dass das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo sich genau gegen jene gerichtet hat, die diese Verhältnisse konsequent kritisiert haben, bedeutet eine bittere Ironie – aber keinen Widerspruch.

Wir empfinden aufrichtig mit den Opfern dieses Attentats in Paris und sind als Attac solidarisch. Doch in eine Reihe mit den Urhebern und Akteuren einer zutiefst unmenschlichen neoliberalen Politik stellen wir uns nicht.