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Etikettenschwindel bei TTIP-Resolution im Europaparlament

Große Koalition stimmt für TTIP und Schiedsgerichte - mit dreistem Täuschungsversuch

Foto von der Protestaktion vor dem Europaparlament am 8. Juli 2015

Seit Beginn des Jahres bemühen sich die Parlamentsgruppen der Konservativen und Sozialdemokraten, eine vorauseilende Zustimmung des Europaparlaments zum Handels- und Investitionsabkommen TTIP herbei zu verhandeln. Zu diesem Zweck arbeitete der Ausschuss für internationalen Handel einen Resolutionstext aus, der dem Parlament am 10. Juni zur Abstimmung vorgelegt werden sollte. Aufgrund unklarer Mehrheitsverhältnisse wurde diese jedoch überraschend vertagt. Knackpunkt Der Abschnitt über die Investor-Staats-Streitbeilegungsmechanismen (ISDS), die sogenannten Schiedsgerichte.

Trotz massiver Proteste seitens der Zivilgesellschaft und der Opposition haben sich die beiden großen Parlamentsgruppen offenbar auf einen faulen Kompromiss geeinigt: Eine Wischi-Waschi-Textänderung wird nun als "Ende des ISDS" verkauft. Zugleich sendet die gesamte Resolution ein positives Signal für TTIP. Die Entscheidung des Europaparlaments ist ein starker Affront gegen die Bürgerinnen und Bürger in Europa, von denen bereits über 2,3 Millionen die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP & CETA unterschrieben haben. 

Hier die Pressemitteilung des deutschen Bündnisses "TTIP Unfairhandelbar" sowie des europäischen Bündnisses für eine Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP & CETA "Stop TTIP" , in denen Attac Mitglied ist:

NGOs enttäuscht von „Großer Koalition für TTIP“ im Europaparlament

Großdemonstration am 10. Oktober und weitere Proteste angekündigt

Die zivilgesellschaftlichen Bündnisse „TTIPunfairHandelbar“ und „Stop TTIP“ zeigen sich enttäuscht von der TTIP-Resolution des Europäischen Parlamentes. Sie kündigen weitere Proteste und eine Großdemonstration gegen TTIP und CETA im Rahmen eines europäischen Aktionstages am 10. Oktober in Berlin an.

Die europäischen Sozialdemokraten sind in der Kompromissformulierung zu den umstrittenen Konzernklagerechten (ISDS) gespalten. Noch im Juni waren eine Abstimmung und Debatte im Europaparlament verschoben worden. Der Tumult um die Resolution spiegelt nach Ansicht der Bündnisse auch den wachsenden Druck aus der Zivilgesellschaft, den die Abgeordneten nicht einfach ignorieren können. In einem zweiten Anlauf ist es EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nun dennoch gelungen, eine Mehrheit konservativer und sozialdemokratischer Abgeordneter für eine TTIP-freundliche Resolution und eine Kompromissformulierung zu ISDS zu gewinnen.

„Wir sind enttäuscht und verärgert über die große Koalition für TTIP im Europäischen Parlament. Mit ihrer Resolution haben die Parlamentarier die Gelegenheit verpasst, der Aushöhlung unserer Demokratie durch Freihandelsabkommen und Konzernklagerechte einen Riegel vorzuschieben. Stattdessen hat es die Mehrheit der Abgeordneten vorgezogen, der Handelskommissarin Cecilia Malmström mit ihrer konzernfreundlichen Reformagenda zu Investor-Staat-Klagerechten den Rücken zu stärken“, sagt Peter Fuchs vom Bündnis TTIPunfairHandelbar. Bemerkenswert sei allerdings, dass einige sozialdemokratische Abgeordnete, unter anderem aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Österreich und Großbritannien, sich dem Druck durch Martin Schulz und Bernd Lange nicht gebeugt und den ISDS-Kompromiss abgelehnt haben. Die Spaltung innerhalb der Sozialdemokratie könnte die Ratifizierung von CETA und den Abschluss von TTIP gefährden – letztlich ein Erfolg für die TTIP-KritikerInnen.

Ernst-Christoph Stolper von „Stop TTIP“ ergänzt: „Leider ignoriert die Mehrheit des Europaparlaments weiterhin die europaweiten Proteste gegen TTIP und CETA. Über 2,3 Millionen Bürger und Bürgerinnen aus allen europäischen Mitgliedstaaten haben bereits die selbstorganisierte Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unterschrieben. Wir werden diesen Stimmen noch mehr Gehör verschaffen. Am 10. Oktober 2015 laden wir zusammen mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, kultur-, demokratie- und entwicklungspolitischen Organisationen zu einer Großdemonstration nach Berlin ein. Wir werden immer mehr und wir werden TTIP stoppen! Offensichtlich wollen viele Europaabgeordnete dieses erst im Moment des Scheiterns ihrer großen Koalition erkennen.“

Wie die Bündnisse kritisieren, fehlten in der TTIP-Resolution jegliche Ansätze einer fairen und demokratischen Handelspolitik, Transparenzauflagen oder Konzernpflichten. „Wir fordern die Sozialdemokraten auf, in Zukunft keine schlechten Kompromisse mehr mit den konservativen und neoliberalen Konzernfreunden im Parlament einzugehen“, sagt Fuchs. „Ihr handelspolitisches Abstimmungsverhalten muss zumindest die roten Linien der SPD vom Parteikonvent 2014 einhalten. Besser noch: TTIP endgültig kippen und einen demokratischen Neuanfang der Handelspolitik ermöglichen!“