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Zehn Jahre Finanzmarktkrise: Halbherzige Maßnahmen gegen nächsten Crash

Verantwortung für Versagen liegt bei Politik und neoliberaler Wirtschaftswissenschaft

Zehn Jahre nach Beginn der größten Krise des internationalen Finanzsystems seit dem Zweiten Weltkrieg haben weder die Bundesregierung noch andere zuständige Institutionen einschneidende Reformen eingeleitet, die eine Wiederholung der Krise verhindern, mahnt das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Dabei seien wirksame Rezepte bekannt. "Die Banken müssen so geschrumpft werden, dass sie kein Systemrisiko, also nicht mehr 'too big to fail' sind, und wir brauchen ein Trennbankensystem, in dem das Kundengeschäft strukturell vom Handel auf den Finanzmärkten getrennt ist. Ein Finanz-TÜV muss darüber entscheiden, was auf den Finanzmärkten gehandelt werden darf, und die Finanztransaktionsteuer muss endlich eingeführt werden", sagt Alfred Eibl vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.

Gegenprogramm zur Tagung der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau

Die Verantwortung für das Versagen sieht Attac auch bei den Mainstream-Wirtschaftswissenschaften. Eine besondere Rolle spielen dabei die Träger des Wirtschaftsnobelpreises, die vom heutigen Dienstag bis Samstag beim "Lindau Meeting on Economic Sciences" mit 350 Nachwuchsökonomen zusammentreffen. Als Kontrapunkt zur der Tagung lädt Attac für Donnerstag zu einem Aktions- und Diskussionstag in Lindau ein unter dem Motto "Wo neoliberale Wirtschaftswissenschaft versagt, ist die Zivilgesellschaft gefragt" (Presseankündigung).

"Unbeschadet der dramatischen Widerlegung ihrer Theorien durch die harte Praxis der Finanzkrise halten viele neoliberale Ökonomen an ihren Überzeugungen fest und versuchen, so weiterzumachen wie bisher", stellt Detlev von Larcher von der Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern fest. "Viele hängen der Theorie an, dass Märkte berechenbar seien und mit mathematischen Modellen abgebildet werden könnten. Geld und Finanzmärkte spielen in ihren Modellen nur eine untergeordnete Rolle als Vermittlungsinstanzen." So erhielt Eugene Fama noch 2013 den Wirtschaftsnobelpreis für seine Theorie der "effizienten Finanzmärkte".

Wie wenig Verlass auf viele der so genannten Wirtschafts- und Finanzmarktexperten ist, zeigte sich bereits vor zehn Jahren, als in Deutschland kaum jemand an die Gefahr eines Flächenbrandes auf den Finanzmärkten glaubte. So erklärte der damalige Bundesbankpräsident Axel Weber noch am 2. August 2007: "Befürchtungen bezüglich einer Bankenkrise in Deutschland entbehren jeder Grundlage. […]  Das Engagement deutscher Kreditinstitute am amerikanischen Immobilienmarkt ist überschaubar und insgesamt begrenzt. [...] Der in einigen Medienberichten hergestellte Vergleich der aktuellen Wirtschaftslage zur Bankenkrise 1931 ist völlig abwegig.“ Bereits vier Tage zuvor, am 30. Juli, hatte Industriekreditbank (IKB) mitgeteilt, dass sie in Folge der Krise des US-amerikanischen Subprimemarktes in eine existenzbedrohende Schieflage geraten sei.

Mit dem Gegenprogramm zur Lindauer Nobelpreisträger-Tagung will Attac eine offene Diskussion über die Notwendigkeit einer sozialen und ökologischen Transformation der Wirtschaft fördern. Alfred Eibl: "Das Nachbeten längst widerlegter Glaubenssätze hilft nicht weiter. Das gilt für Wissenschaft ebenso wie für die Politik.“


Für Rückfragen und Interviews:

  • Alfred Eibl, Attac-Koordinierungskreis, Tel. 0160 9078 0266
  • Detlev von Larcher, Attac-AG Finanzmärkte und Steuern, Tel. 0160 9370 8007
  • Lothar Höfler, Attac Lindau. Tel. 0172 8309 248 (zum Aktionstag in Lindau)